Die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) und die Steuerpflicht ihrer Mitglieder

Handelt ein Mitglied der EWIV, sind die Betriebseinnahmen des Mitglieds ihm selbst steuerlich zuzurechnen, auch wenn alle Forderungen an die EWIV abgetreten wurden.  

 

Die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) ist eine supranationale europäische Rechtsform, die seit 1985 besteht. Durch sie soll Unternehmen und Freiberuflern ermöglicht werden, grenzüberschreitend zu kooperieren und dadurch ihre Ressourcen zu bündeln und Ausgaben zu minimieren. Die EWIV übernimmt dabei eine reine Hilfsfunktion, sie selbst darf keine Gewinnabsichten verfolgen. Demgemäß entfällt in Deutschland die Körperschafts- und Gewerbeertragssteuer auf die Vermögenswerte der EWIV, was sie als attraktives Steuersparmodell erscheinen lässt.  

Hier ist jedoch Vorsicht geboten, wie ein Beschluss des FG Berlin–Brandenburg (FG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 19.8.2022 – 10 V 10194/21) zeigt.  

Anlass war ein Antrag einer GmbH, welche als Mitglied einer EWIV alle Ansprüche im Zuge einer Globalzession, § 398 ff. BGB, auf die EWIV übertragen hatte. Die GmbH ging davon aus, dass durch eben diese Abtretung jegliche Gewinne aus den abgetretenen Forderungen nicht bei ihr, sondern bei der EWIV zu verorten und somit nicht von der GmbH zu versteuern sein.  

Dem widersprach das FG Berlin-Brandenburg. Es führt insbesondere das Transparenzprinzip des Art. 40 EWIV-VO an, wonach Betriebseinnahmen und –ausgaben der Mitglieder einer EWIV von ihnen selbst nach den Vorgaben des nationalen Steuerrechts zu versteuern sind.  

Die Erlöse aus den von der GmbH gestellten Ausgangsrechnungen seien in dem Zeitpunkt realisiert, in dem die jeweilige Sach- oder Dienstleistung erbracht wurde und somit der GmbH zuzuordnen. Dass die Rechnungsbeträge aufgrund der Globalzession lediglich von der EWIV eingezogen werden dürfen, ändere nichts daran, dass die Gewinnerzielung nicht durch die EWIV, sondern durch die GmbH erfolgte. Wie letztere mit der Realisierung der Erlöse verfahre, sei lediglich Gewinnverwendung, nicht jedoch Gewinnerzielung. Folglich sei das gewinnorientierte Handeln der GmbH zuzurechnen, was auch die Forderungsinhaberschaft der EWIV nicht negiere.  

Die Vorstellung der GmbH, sie könne all ihre Erträge steuerlich der EWIV zuordnen und dadurch Steuern sparen, hat sich somit nicht bewahrheitet. Viel mehr stellt der Beschluss des FG Berlin-Brandenburg klar, dass die Zurechnung von Betriebseinnahmen nicht lediglich von der Forderungsinhaberstellung abhängt. Stattdessen scheint es dem FG zufolge darauf anzukommen, an welcher Stelle die Einnahmen generiert werden. Handele hier ein Mitglied der EWIV selbst, so seien ihm diese Betriebseinnahmen steuerlich zuzurechnen.  

 

Gegen den Beschluss des FG Berlin-Brandenburg ist unter dem Az. BFH: XI B 87/22 (AdV) beim BFH Beschwerde eingelegt.  

 

Michael Olfen, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Straf- und Steuerrecht, ist Gründungspartner der Kanzlei Olfen Meinecke Völger Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB 

Lotta Ann Olfen ist studentische Hilfskraft der Kanzlei Olfen Meinecke Völger

 

Sind Gewinne aus der Veräußerung von Kryptowährungen steuerpflichtig?

Nach einem Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH, Urt. v. 14.2.2023 – IX R 3/22, DStR 2023, 435) stellen Gewinne aus der Veräußerung von Kryptowährungen (“Currency Tokens”) sonstigen Einkünfte dar. Die Currency Tokens (hier: Bitcoin, Ether und Monero) hat das Gericht als “andere Wirtschaftsgüter” iSd § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG angesehen.  

 

Der Einkommensteuer unterliegen nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG unter anderem Einkünfte aus selbstständiger Arbeit, nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 EStG aus nichtselbständiger Arbeit und gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 EStG Einkünfte aus Kapitalvermögen. Laut § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EStG sind auch sonstige Einkünfte i.S.d. § 22 EStG einkommensteuerpflichtig.  

Strittig war zum einen die Rechtsnatur der Tokens als “Wirtschaftsgüter” und zum anderen die Eigentümerstellung und die daraus resultierende Zurechnung der Gewinne an den Steuerpflichtigen. 

 

  1. Der Begriff des “Wirtschaftsguts” in § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG umfasst nicht nur Sachen und Rechte des bürgerlichen Rechts, sondern auch tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten und Vermögenswerte sowie Vorteile aller Art, denen nach der Verkehrsanschauung ein Geldwert zugesprochen wird. Kryptowährungen in Form einer “Kette von digitalen Signaturen” fallen zwar nicht unter den zivilrechtlichen Begriff des Geldes, seien wirtschaftlich betrachtet jedoch als Zahlungsmittel anzusehen. Sie können an dafür vorgesehenen “Märkten” gehandelt werden, an denen alle Beteiligten den Tokens einen greifbaren Wert zumessen. Zwar ist die jeweilige Durchsetzung und Durchführung der Geschäfte an diesen Märkten nicht gesichert und auch die randomisierte Zusammensetzung der Tokens aus digitalen Signaturketten führe nicht dazu, dass sie mit einem nicht steuerbaren Lottogewinn zu vergleichen seien. Vielmehr habe der einzelne Händler ein Token-Portfolio, von welchem verselbstständigte Untereinheiten der jeweiligen Währungen losgelöst und auf einschlägigen Plattformen gehandelt werden können, wobei für sie ein Entgelt für die Übertragung erzielt werden kann. Dementsprechend sei ihnen ein messbarer Wert sowie eine Verkehrsfähigkeit zuzusprechen, was zu einer strukturellen Vergleichbarkeit mit Fremdwährungen führe, welche bereits als “Wirtschaftsgüter“ i.S.d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG angesehen werden (Wie genau Währungsgewinne steuerlich einzuordnen sind, steht aktuell zur Diskussion. Dass dies Auswirkungen auf die Bewertung von Kryptowährungen hat, ist jedoch nicht zu erwarten. So hatte das Bundesministerium der Finanzen in einer Stellungnahme im Rahmen des Verfahrens, welches zu dem Urteil führte, das diesem Artikel zugrunde liegt, ausdrücklich die Qualität als Wirtschaftsgut herausgestellt und somit nicht auf die Einordnung als Kapitalerträge schließen lassen).
  2. Eigentümer, und somit potentiell steuerpflichtig, eines Wirtschaftsguts ist nach § 38 Abs. 1 AO nicht nur, wer nach zivilrechtlichen Grundsätzen als solcher anzusehen ist, sondern auch wem die faktische Berechtigung daran zukommt. Dementsprechend ist die Eigentümerstellung beim Erwerber des “private key” zu verorten, welcher mithilfe dieses Zugangs die Transaktionen von Tokens durchführen kann. Wechselt diese Eigentümerstellung und wird dafür eine Gegenleistung in Form einer anderen (virtuellen) Währung erworben, so liegt ein Veräußerungsgeschäft vor. 
  3. Durch die Verkehrsfähigkeit, die Werthaltigkeit sowie die Zurechenbarkeit der Currency Tokens ist ein Tausch dieser untereinander sowie eine Veräußerung gegen eine staatliche Währung ein Geschäft mit einem “Wirtschaftsgut” i.S.d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG, sodass es den Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäfts erfüllt und als Fall der sonstigen Einkünfte nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 i.V.m. § 22 Nr. 2 EStG der Einkommensteuer unterliegt.  

 

Das bedeutet, dass alle Gewinne, die aus der Veräußerung und dem Tauschen dieser digitalen Währungen untereinander (also auch Bitcoin gegen Ether oä.), generiert werden, einer Besteuerung nach dem jeweiligen Einkommensteuersatz unterliegen. Dies kann nur vermieden werden, wenn zwischen Anschaffung und Veräußerung über ein Jahr liegt, § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG. Da dies beim spekulativen Handeln mit Kryptowährungen selten der Fall ist, dürfen solche Einkünfte bei der Steuererklärung nicht außen vorgelassen werden.  

Wer über einen langen Zeitraum stetig in Currency Tokens investiert und diese als Kapitalanlage hält, sollte eine nachvollziehbare Übersicht erstellen, aus der ersichtlich wird, zu welchem Zeitpunkt wie viele digital bzw. electronical coins oder andere Tokens erworben wurden. Dadurch kann eine Einkommensbesteuerung der Anteile, deren Erwerb bei Gewinnrealisierung über ein Jahr zurück liegt, verhindert werden.  

 

Sprechen Sie uns gerne an, wenn wir Ihnen Unterstützung bieten können. 

 

Michael Olfen, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Straf- und Steuerrecht, ist Gründungspartner der Kanzlei Olfen Meinecke Völger Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB 

Lotta Ann Olfen ist studentische Hilfskraft der Kanzlei Olfen Meinecke Völger

Aktuelle Staatenaustauschliste für die automatische Übermittlung von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen  

Das BMF hat mit einem Schreiben vom 11. Februar 2022 vorläufig bekannt gegeben, mit welchen Ländern zum 30. September 2022 ein automatischer Austausch von Informationen über ausländische Finanzkonten in Steuersachen erfolgt. Die vollständige Liste können Sie unter diesem Link einsehen. 

Das Übermitteln von Finanzkonteninformationen erfolgt auf Grundlage des Finanzkonten-Informationsaustauschgesetzes (FKAustG). Demnach werden zwischen dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) und der dafür zuständigen ausländischen Behörde automatisch die fraglichen Daten ausgetauscht. Eine abschließende Liste aller Staaten, die sich am Datenaustausch beteiligen, wird das Bundesfinanzministerium bis Ende Juni 2022 bereitstellen.  

Wann können sich Steuerberaterinnen und Steuerberater anlässlich ihrer Berufsausübung strafbar machen? 

Die Abgrenzung zwischen straffreier Berufsausübung und strafrechtlich relevanter Beihilfe wird juristisch viel diskutiert. Ab wann soll ein eigentlich sozialadäquates Handeln der Strafbarkeit unterliegen? Wie schutzwürdig sind Berufsträger*innen, die Kenntnis von kriminellen Plänen ihrer Mandant*innen haben und diesen dennoch ihre beruflichen Leistungen zukommen lassen? 

Ein aktueller Beschluss des BGH (BGH Beschluss v. 17.6. 2021 – 1 StR 132/21) gibt Anlass, sich eingehend mit der Frage auseinanderzusetzen, ab wann sich Steuerberaterinnen und Steuerberater der Beihilfe zur Steuerhinterziehung gemäß § 27 Abs. 1 StGB, § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO strafbar machen.  

Die Meinungen in der Literatur hierzu sind vielfältig, sie reichen von subjektiven über objektive zu gemischt objektiv-subjektiven Kriterien.  

Die objektiven Maßstäbe orientieren sich überwiegend an der professionellen Adäquanz des Handelns und verlangen für eine Strafbarkeit zum Beispiel einen Verstoß gegen die Berufsordnung. Wenn ein solcher vorliegt oder das Handeln außerhalb des rechtlich gebilligten Risikos liegt, soll es eine strafbare Beihilfehandlung darstellen. Die Kritik an lediglich objektiven Kriterien ist klar: Was ist mit den Fällen, in denen eine beruflich neutrale Handlung eine Straftat fördert und der Handelnde davon weiß? Ein Beispiel hierfür ist der gewerbliche Verkauf von (Schuss-)Waffen: Wenn der Händler erkennt, dass der Erwerber damit eine Straftat begehen wird. Dies verstößt nicht gegen berufliche Vorschriften, wenn er dabei den gewöhnlichen Arbeitsablauf beibehält. Aber ist es noch ein rechtlich erlaubtes berufstypisches Risiko? Eine Frage, auf die es viele Antworten und Meinungen geben kann, die aber kein handliches Kriterium für die Grenzen der Strafbarkeit darstellt.  

Rein subjektive Maßstäbe orientieren sich an der inneren Haltung des Gehilfen gegenüber der Haupttat. Inwiefern wusste der Beihelfende davon und wollte er sie fördern? Wenn sie nur für möglich gehalten wird (dolus eventualis), soll demnach keine Strafbarkeit eintreten. 

Ein Ansatz, der sich nur schwer umsetzen lässt: Wenn allein die Gesinnung des Gehilfen für seine Strafbarkeit verantwortlich ist, so kann dieser sich jederzeit hinter seinem beruflichen Handeln verstecken und darauf bestehen, dass er lediglich seiner Pflicht nachgekommen sei und das Risiko der Haupttat nicht erkannt habe.  

 Aus diesem Grund scheint auch der Rechtsprechung eine gemischt subjektiv-objektive Abgrenzung vorzugswürdig.  

Der BGH hat diese innerhalb des Steuerstrafrechts das erste Mal in einem Urteil aus dem Jahr 2000 (BGH, Urteil v. 1.8.2000 – 5 StR 624/99 (LG Wuppertal)) vorgenommen. Darin bekräftigt der BGH, dass berufstypische Handlungen, auch professionell adäquate, nicht generell straflos sind. Vielmehr stellt er zur Bewertung der Strafbarkeit auf Grundsätze ab, die auf der subjektiven Tatseite liegen, aber durch objektive Kriterien unterstützt werden.   

Wenn ein Gehilfe weiß, dass das Handeln des Haupttäters ausschließlich auf eine strafbare Handlung abzielt, so verlässt sein Tatbeitrag die Straflosigkeit und ist keine rechtlich neutrale Berufsausübung mehr. Eine innere Haltung zu der Haupttat, ein Wollen, wird nicht verlangt, lediglich auf das Wissen des Gehilfen kommt es an. Kompliziert wird es, wenn keine klare Kenntnis über die Haupttat vorliegt. Wenn diese lediglich für möglich gehalten wird, dem Helfenden aber nicht als die wahrscheinlichste Handlungsalternative erscheint, soll eine Strafbarkeit ausscheiden. In diesem Fall hat der Schutz des Berufsalltags Vorrang gegenüber dem Risiko einer Straftat. Wenn der Gehilfe das Risiko aber erkannt hat und die strafbare Haupttat für sehr wahrscheinlich hält, wendet der BGH die Figur des angelegen sein lassens an. So ist dann eine Solidarisierung mit dem Täter anzunehmen und eine Strafbarkeit zu bejahen, wenn die Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters darstellt, der Gehilfe sich die Haupttat damit also angelegen sein lässt.  

Damit löst der BGH für sich das Dilemma, dass manche Straftaten (nur) unter Mithilfe von gewissen Berufsgruppen begangen werden können, Vertreter*innen dieser Berufsgruppen  aber nicht andauernd befürchten sollen, sich an einer strafbaren Handlung zu beteiligen.  

Das angelegen sein lassen eröffnet der Rechtsprechung einen Raum, um im Einzelfall auch bei fehlender sicherer Kenntnis des Gehilfen zu einer Strafbarkeit zu kommen und die Tatsache zu berücksichtigen, dass die Straftat ohne ihre Hilfe nicht hätte begangen werden können.  

Für Steuerberaterinnen und Steuerberater führt dies zu einer gewissen Sorgfaltspflicht.

Wenn es sehr wahrscheinlich erscheint, dass ein*e Mandant*in eine Steuerstraftat begehen will und dafür auch die Steuerberatung in Anspruch genommen werden soll, kann diese sich bei Tätigwerden der Beihilfe strafbar machen. Wenn also Tatsachen die Vermutung verhärten, dass Mandant*innen sich zur Vollendung einer strafbaren Handlung des Berufträgers bedienen, sollte ermittelt werden, wie hoch das Risiko erscheint. Wenn das Ziel der angefragten Dienstleistung höchstwahrscheinlich strafbar ist, so sollten Steuerberater*innen von ihr absehen. Wie stark die Vermutung ausgeprägt sein muss, damit die Grenze zur Strafbarkeit überschritten wird, ist nicht abschließend zu beantworten.   

Im oben erwähnten Beschluss des BGH verneinte dieser ein angelegen sein lassen auch nachdem die Steuerberatung aufgrund eines Verdachtes gegen einen Mandanten durchsucht wurde und der Steuerberater im vorgelegten Durchsuchungsbeschluss einsehen konnte, was seinem Mandanten vorgeworfen wurde. Das Landgericht sah hier das Risiko, dass auch die Steuerberatung in den Steuerbetrug eingebunden werden sollte, als so erkennbar hoch an, dass das weitere Tätigwerden für den Mandanten eine Beihilfe darstelle. Dies lehnte der BGH ab. Es sei nicht ausreichend belegt, dass der Steuerberater nach der Durchsuchung bösgläubig war, da weitere Hinweise, wie ein Führungswechsel innerhalb der Mandatsfirma, gegen ein Fortführen des Steuerbetrugs sprechen würden. Letztendlich lässt die Rechtsprechung hier aber einen Raum für Abwägungen im Einzelfall, der zu einer gewissen Rechtsunsicherheit führt. 

Praxishinweis: 

Steuerberater*innen sollten bei Verdacht gegen Mandant*innen immer eine Gesamtschau der verdachtserhärtenden Umstände vornehmen. Sobald Mandant*innen erkennbar tatgeneigt sind und dies als die wahrscheinlichste Möglichkeit zu bewerten ist, muss von der tatfördernden Handlung abgesehen werden.  

 

Michael Olfen, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Straf- und Steuerrecht, ist Gründungspartner der Kanzlei Olfen Meinecke Völger Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB 

Lotta Ann Olfen ist studentische Hilfskraft der Kanzlei Olfen Meinecke Völger

Vorläufiger Vermögensarrest im Steuerstrafrecht

von Rechtsanwalt Michael Olfen

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg zum Vermögensarrest nach § 111e StPO hat weitreichende Konsequenzen, gerade für  Mittelständler. Ein Tax-Compliance-System kann die Risiken minimieren.

In seinem Beschluss hatte das Gericht einen einfachen Tatverdacht nach § 266 a StGBes für ausreichend erachtet, um einen Vermögensarrest nach § 111e StPO zur Sicherung anzuordnen; und zwar auch dann, wenn die hiervon betroffene GmbH anschließend einen Antrag auf Insolvenz wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit stellen muss. Hintergrund für die Anordnung des Vermögensarrests waren Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen, die vom Geschäftsführer der GmbH nicht abgeführt worden waren.

Mit dem Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 20.12.2018 wurde der Beschwerde der Staatsanwaltschaft stattgegeben, wonach zu Recht gemäß §§ 111e Abs. 1, 111j Abs. 1 StPO i.V.m. §§ 73, 73b Abs. 1 Nr. 1, §§ 73c, 73d, 266a StPG der Vermögensarrest in Höhe von € 655.374,01 in das bewegliche und unbewegliche Vermögen der GmbH angeordnet wurde.

Nach § 111e Abs. 1 StPO kann zur Sicherung der Vollstreckung der Vermögensarrest in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Betroffenen angeordnet werden, wenn die Annahme begründet ist, dass die Voraussetzung der Einziehung von Wertersatz vorliegt. Da deshalb die Anordnung eines Vermögensarrestes grundsätzlich pflichtgemäß im Ermessen der Strafverfolgungsbehörde steht und es hierfür ausreichend ist, dass bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass die Voraussetzungen für eine spätere gerichtliche Anordnung der Einziehung von Wertersatz vorhanden sind, genügt bereits ein einfacher Verdacht gemäß § 152 Abs. 2 StPO.

Zwar hat das OLG Nürnberg nicht nur festgestellt, dass ein einfacher Tatverdacht, sondern ein dringender Tatverdacht vorliegt, dass der Beschuldigte als Geschäftsführer der GmbH in Bezug auf die Beschäftigung der ermittelten Personen die Beiträge der Arbeitnehmer zur Sozialversicherung nach § 266a Abs. 1 StGB vorenthalten hat. In der Regel reicht zur Schadensbezifferung der vorenthaltenen Beträge eine vorläufige Schadensberechnung der Deutschen Rentenversicherung.

Bei der erforderlichen Abwägung aber, ob das Sicherungsbedürfnis im Sinne des § 111e Abs. 1 StPO gegenüber dem Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 GG überwiegt und der Schutz der Betroffenen vor nicht erforderlichen oder unverhältnismäßigen Sicherungsmaßnahmen beeinträchtigt worden ist, kommt das OLG zu dem Schluss, dass das Sicherungsbedürfnis auch dann überwiegt, wenn Insolvenz droht. Hier ist die Besorgnis ausreichend, dass die künftige Vollstreckung ohne Anordnung eines Arrestes vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Die Besorgnis wurde vom OLG Nürnberg allein auf der Grundlage der Bilanz der GmbH, die dem Gericht vorgelegen hatte, beurteilt. Die GmbH war, so die Richter, bereits aufgrund einer bilanziellen geringen Eigenkapitalquote nicht in der Lage, die zu erwartenden Nachforderungen der Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von rund 655.000 Euro zu tilgen. Insoweit sei das Sicherungsbedürfnis begründet.

Interessant ist, dass das OLG Nürnberg einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Eigentumsrechte der GmbH auch deshalb ablehnt, weil schon die bilanziellrechtlich notwendige Passivierung der Sozialversicherungsbeiträge als Verbindlichkeiten eine bilanzielle Überschuldung bewirke und nicht erst die Vermögensabschöpfung selbst. Diese sei dann erst die Folge der schon bestehenden Überschuldung. Im zweiten Schritt wäre dann der Vermögensarrest ein grundsätzlich insolvenzfestes Sicherungsrecht.

Da der Vermögensarrest das Ziel einer möglichst frühzeitigen Sicherung des Vermögens des Beschuldigten verfolgt, kann der Vermögensarrest in das gesamte, gerade auch legal erworbene Vermögen des Beschuldigten vollzogen werden. Im vorliegenden Fall sogar, wenn sich hierdurch das Risiko der Insolvenz für die GmbH realisiert und diese bewusst durch das Gericht in Kauf genommen wird.

Aus dem Urteil wird deutlich, dass von Seiten des Gerichts auf den finanziellen Status des Betroffenen, auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung, wenig bis gar keine Rücksicht genommen wird. Auch im Fall der drohenden Existenzvernichtung durch Eintritt der Insolvenz wird einem vorläufigen Sicherungsinteresse der Vorrang vor dem Eigentumsgrundrecht des Betroffenen eingeräumt.

Beratungshinweise:

Die gerichtliche Bewertung und Abwägung im Fall des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelten dürfte entsprechend ebenfalls vollständig auf Steuerstrafverfahren übertragbar sein. Vor dem Hintergrund z.B. überzogener Schätzungen, die in der Regel zu hohen Steuernachforderungen führen, drohen insbesondere den betroffenen mittelständischen Betriebe große Liquiditätsschwierigkeiten und Insolvenzrisiken, soweit nicht eine entsprechende Eigenkapitalquote gebildet wurde. Die mögliche vorläufige Sicherungsanordnung durch Vermögensarrestanordnung gemäß § 111e Abs. 1 StPO ist demnach vom Betriebsinhaber als bedeutendes Risiko einzustufen. Bleibt der vorläufige Vermögensarrest auch auf die strafrechtliche anwaltliche Beschwerde hin in der Welt, wird der anschließende steuerliche Kampf gegen die Schätzungen vor den Fachgerichten der Finanzgerichtsbarkeit reine Makulatur und dürfte allenfalls noch den Insolvenzverwalter, aber nicht mehr den bereits durch die vorläufige Vermögens-Arrestierung um seine Existenz gebrachten Betroffenen interessieren.

Um so wichtiger ist es, bereits im Vorwege Maßnahmen zur Abwehr zu ergreifen – etwa durch Implementierung innerbetrieblicher Tax-Compliance-Systeme. Nur durch geeignete interne Kontrollmechanismen können, gerade auch im Mittelstand, steuerliche Risiken und Existenzrisiken bei aufkommenden steuerstrafrechtlichen Verdachtsmomenten vermieden werden.

Zur Implementierung eines vollständigen Tax-Compliance-Systems zur Vermeidung von steuerstrafrechtlichen vorläufigen Vollstreckungsmaßnahmen bedarf es einer umfassenden individuellen Beratung und innerbetrieblicher Analyse. Manchmal erschöpft sich der Beratungsumfang beim Mandanten bereits im Aufdecken der Schwachstellen und dem Anziehen weniger Stellschrauben.

Einträge ins Berliner Korruptionsregister

In Berlin ist mit dem Korruptionsregistergesetz (KRG vom 19. April 2006) eine zentrale Informationsstelle bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung eingerichtet worden, die zum Zweck der Sammlung und Bereitstellung von Informationen über die Unzuverlässigkeit von natürlichen und juristischen Personen ein Register führt (Korruptionsregister). Ziel des Korruptionsregisters ist es, die öffentlichen Auftraggeber bei der ihnen obliegenden Prüfung der Zuverlässigkeit von Bieterinnen und Bietern, Bewerberinnen und Bewerbern sowie potentiellen Auftragnehmerinnen und Auftragnehmern zu unterstützen.

Öffentliche Auftraggeber sind nach § 6 KRG verpflichtet, vor Entscheidungen über die Vergabe öffentlicher Aufträge mit einem Wert ab 15.000 EUR bei der Informationsstelle nachzufragen, inwieweit Eintragungen im Korruptionsregister zu Bieterinnen und Bietern, Bewerberinnen und Bewerbern sowie potentiellen Auftragnehmerinnen und Auftragnehmern vorliegen. Die öffentlichen Auftraggeber sind berechtigt, die Nachfragen auch auf etwaige Nachunternehmerinnen und -unternehmer zu erstrecken, wenn sie dies für erforderlich halten.

Bei geplanten Vergaben unterhalb der Wertgrenze von 15.000 EUR kann der öffentliche Auftraggeber bei der Informationsstelle nachfragen, ob Eintragungen zu Bieterinnen und Bietern, Bewerberinnen und Bewerbern sowie potentiellen Auftragnehmerinnen und Auftragnehmern vorliegen.

Eingetragen werden Straftaten u.A. nach § 331-335 des Strafgesetzbuchs (StGB), also Amtsträgerkorruptionsdelikte, nach § 299 StGB (Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr), nach § 298 StGB (wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen, nach § 266a StGB (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt, nach § 266 StGB (Untreue), § 261 StGB (Geldwäsche) und insbesondere Steuerhinterziehung, § 370 AO. Besonders bedenklich ist, dass der für die Eintragung erforderliche Nachweis des jeweiligen Rechtsverstoßes als erbracht gilt, wenn eine Einstellung nach § 153a StPO erfolgt ist. Erfolgt eine solche Verfahrenseinstellung, bevor die Hauptverhandlung bis zur Entscheidungsreife zum Schuldspruch durchgeführt worden ist, so fehlt es an der prozeßordnungsgemäßen Grundlage für ein Erkenntnis zur Schuld (BGH, NStZ 1987, 421).

Beschäftigten öffentlicher Auftraggeber kann gemäß § 2 Abs. 2 KRG auf Antrag die Erlaubnis zur Teilnahme am automatisierten Abrufverfahren erteilt werden, soweit die antragstellende Person eine hohe Zahl regelmäßig durchzuführender Abfragen nach § 6 KRG glaubhaft machen kann. Dazu erhalten die abfragepflichtigen Stellen gemäß § 6 KRG eine Zugangsberechtigung von der zentralen Informationsstelle.

Der Tatverdacht im Steuerstrafrecht

Die rechtliche Beurteilung des Tatverdachts im Steuerstrafrecht folgt den allgemeinen Grundsätzen der Strafprozessordnung (StPO), § 399 AO. Im Wesentlichen wird zwischen dem Anfangsverdacht, dem hinreichenden Tatverdacht und dem dringenden Tatverdacht unterschieden.

Der Anfangsverdacht liegt bereits vor, wenn ein Sachverhalt die Verletzung eines Strafgesetzes in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht für möglich erscheinen lässt (vgl. § 152 Abs. 2 StPO). Bei der Prüfung des Anfangsverdachts besteht ein gewisser Beurteilungsspielraum des Staatsanwalts bzw. der Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamtes. Der Anfangsverdacht muss sich auf konkrete Tatsachen stützen, die dafür sprechen, dass der zu untersuchende Lebenssachverhalt eine Straftat darstellen könnte. Für die Zulässigkeit einer regelmäßig in einem frühen Stadium der Ermittlungen in Betracht kommenden Durchsuchung genügt der über bloße Vermutungen hinausreichende, auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützte konkrete Verdacht, dass eine Straftat begangen worden ist und der Verdächtige als Täter oder Teilnehmer an dieser Tat in Betracht kommt (BGHBeschl. v. 15.12.2016 – StB 36/16). Stellt sich später heraus, dass der von der Durchsuchung Betroffene unschuldig war, können Entschädigungsansprüche gegen den Staat entstehen. 

Der hinreichende Tatverdacht (§ 170 Abs. 1 StPO) besteht, wenn nach vorläufiger Bewertung des sich aus dem gesamten Akteninhalt ergebenen Sachverhalts und der Beweisergebnisse eine Verurteilung des Beschuldigten wahrscheinlicher als ein Freispruch ist, mithin eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Verurteilung besteht (BGHSt 15, 155 [158]). Auch hier besteht ein gewisser Beurteilungspielraum der ermittelnden Behörde. Der hinreichende Tatverdacht ist der Verdachtsgrad, bei dessen Vorliegen die Staatsanwalt bzw. die Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamtes Anklage erheben kann, wenn nicht Strafbefehl unter den Voraussetzungen des § 407 StPO erlassen wird oder eine Einstellung nach den §§ 153, 153a StPO erfolgt. Der hinreichende Tatverdacht ist des Weiteren Voraussetzung der Zulassung einer Anklage und der Eröffnung des gerichtlichen Verfahrens (§ 203 StPO).

Der dringende Tatverdacht ist insbesondere Voraussetzung von strafprozessualen Maßnahmen wie der Untersuchungshaft. Ein dringender Tatverdacht liegt vor, wenn nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis eine große Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Beschuldigte als Täter oder Teilnehmer eine Straftat begangen hat, wobei ein strafbarer Versuch ausreichend ist (BVerfG NJW 1996, 1049). Teilweise wird des Weiteren verlangt, dass eine Verurteilung mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Für die Anordnung von Untersuchungshaft müssen selbst bei dringendem Tatverdacht Haftgründe bestehen wie Flucht, Fluchtgefahr oder  Verdunkelungsgefahr (§ 112 StPO).

Mitteilung der Einleitung eines Steuerstrafverfahrens

Nach § 397 Abs. 3 AO ist die Einleitung des Strafverfahrens dem Beschuldigten spätestens mitzuteilen, wenn er dazu aufgefordert wird, Tatsachen darzulegen oder Unterlagen vorzulegen, die im Zusammenhang mit der Straftat stehen, derer er verdächtig ist. Oft wird das Steuerstrafverfahren aus einem Besteuerungsverfahren heraus eingeleitet, in dem der Verdacht einer Steuerstraftat oder sonstiger Straftaten entsteht. Es besteht dann die Pflicht zur Doppelbelehrung, die das Zwangsmittelverbot im Besteuerungsverfahren sowie das Recht zur Verweigerung der Mitwirkung im Steuerstrafverfahren umfasst (§ 393 Abs. 1  AO bzw. § 136 StPO). Oft ist die steuerverfahrensrechtliche Belehrung schon zu Beginn der Besteuerungsverfahrens erfolgt. Wird bei anfänglichen oder späteren strafrechtlichen Verdachtsmomenten nicht strafrechtlich richtig belehrt, können Verwendungs- und Verwertungsverbote  die Folge sein.

Die Rechtsfolgen der Einleitung und ihrer Bekanntgabe sind im Einzelnen folgende:

  • Die strafrechtliche Verfolgungsverjährung wird unterbrochen (§§ 369 Abs. 2, 376 AO, § 78c Abs. 1 Nr. 1 StGB), beginnt also erneut zu laufen
  • Selbstanzeige wird gesperrt (§ 371 Abs. 2 Nr. 1b AO),
  • Folgen für die örtliche und sachliche Zuständigkeit der nach dem Prioritätsgrundsatz zuständigen Finanzbehörde (§§ 388, 390 AO)
  • Angaben des Beschuldigten und sonstige Erkenntnissen aus dem Besteuerungsverfahren können u.U. zur Verfolgung von Nichtsteuerstraftaten verwendet werden (§ 30 Abs. 4 Nr. 4a AO, § 393 Abs. 2 AO).
  • Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist im Besteuerungsverfahren (§ 171 Abs. 5Satz 2 AO).

Straf- und steuerrechtliche Verjährung bei Schenkungsteuerhinterziehung

Der für Steuerstrafsachen (§§ 370 ff. AO) zuständige 1. Senat des Bundesgerichtshofs hat zur Frage, wann eine Tat wegen Schenkungsteuerhinterziehung aus Verjährungsgründen nicht mehr verfolgt werden kann, in einem Beschluss vom 25.07.2011 klargestellt, dass die unterlassene Anzeige bei der Schenkung die Grundlage bei der Berechnung der Verjährungsfrist bietet. Die Fristberechnung zur strafrechtlichen Verfolgungsverjährung darf aber nicht mit der steuerrechtlichen Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO verwechselt werden. Der BGH hat mit seinem Beschluß dem Rechtsanwender eindeutige Regeln an die Hand gegeben, den Zeitpunkt für die Verfolgungsverjährung einer Schenkungsteuerhinterziehung durch Unterlassen, § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, zu bestimmen.  Weiterlesen

Zeugenvernehmung / Rechtsschutz

Gemäß § 399 AO i.V.m. §§ 161 ff. StPO steht der Finanzbehörde die Befugnis zu, Zeugen zu vernehmen. Weiterlesen