Vorläufiger Vermögensarrest im Steuerstrafrecht

von Rechtsanwalt Michael Olfen

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg zum Vermögensarrest nach § 111e StPO hat weitreichende Konsequenzen, gerade für  Mittelständler. Ein Tax-Compliance-System kann die Risiken minimieren.

In seinem Beschluss hatte das Gericht einen einfachen Tatverdacht nach § 266 a StGBes für ausreichend erachtet, um einen Vermögensarrest nach § 111e StPO zur Sicherung anzuordnen; und zwar auch dann, wenn die hiervon betroffene GmbH anschließend einen Antrag auf Insolvenz wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit stellen muss. Hintergrund für die Anordnung des Vermögensarrests waren Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen, die vom Geschäftsführer der GmbH nicht abgeführt worden waren.

Mit dem Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 20.12.2018 wurde der Beschwerde der Staatsanwaltschaft stattgegeben, wonach zu Recht gemäß §§ 111e Abs. 1, 111j Abs. 1 StPO i.V.m. §§ 73, 73b Abs. 1 Nr. 1, §§ 73c, 73d, 266a StPG der Vermögensarrest in Höhe von € 655.374,01 in das bewegliche und unbewegliche Vermögen der GmbH angeordnet wurde.

Nach § 111e Abs. 1 StPO kann zur Sicherung der Vollstreckung der Vermögensarrest in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Betroffenen angeordnet werden, wenn die Annahme begründet ist, dass die Voraussetzung der Einziehung von Wertersatz vorliegt. Da deshalb die Anordnung eines Vermögensarrestes grundsätzlich pflichtgemäß im Ermessen der Strafverfolgungsbehörde steht und es hierfür ausreichend ist, dass bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass die Voraussetzungen für eine spätere gerichtliche Anordnung der Einziehung von Wertersatz vorhanden sind, genügt bereits ein einfacher Verdacht gemäß § 152 Abs. 2 StPO.

Zwar hat das OLG Nürnberg nicht nur festgestellt, dass ein einfacher Tatverdacht, sondern ein dringender Tatverdacht vorliegt, dass der Beschuldigte als Geschäftsführer der GmbH in Bezug auf die Beschäftigung der ermittelten Personen die Beiträge der Arbeitnehmer zur Sozialversicherung nach § 266a Abs. 1 StGB vorenthalten hat. In der Regel reicht zur Schadensbezifferung der vorenthaltenen Beträge eine vorläufige Schadensberechnung der Deutschen Rentenversicherung.

Bei der erforderlichen Abwägung aber, ob das Sicherungsbedürfnis im Sinne des § 111e Abs. 1 StPO gegenüber dem Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 GG überwiegt und der Schutz der Betroffenen vor nicht erforderlichen oder unverhältnismäßigen Sicherungsmaßnahmen beeinträchtigt worden ist, kommt das OLG zu dem Schluss, dass das Sicherungsbedürfnis auch dann überwiegt, wenn Insolvenz droht. Hier ist die Besorgnis ausreichend, dass die künftige Vollstreckung ohne Anordnung eines Arrestes vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Die Besorgnis wurde vom OLG Nürnberg allein auf der Grundlage der Bilanz der GmbH, die dem Gericht vorgelegen hatte, beurteilt. Die GmbH war, so die Richter, bereits aufgrund einer bilanziellen geringen Eigenkapitalquote nicht in der Lage, die zu erwartenden Nachforderungen der Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von rund 655.000 Euro zu tilgen. Insoweit sei das Sicherungsbedürfnis begründet.

Interessant ist, dass das OLG Nürnberg einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Eigentumsrechte der GmbH auch deshalb ablehnt, weil schon die bilanziellrechtlich notwendige Passivierung der Sozialversicherungsbeiträge als Verbindlichkeiten eine bilanzielle Überschuldung bewirke und nicht erst die Vermögensabschöpfung selbst. Diese sei dann erst die Folge der schon bestehenden Überschuldung. Im zweiten Schritt wäre dann der Vermögensarrest ein grundsätzlich insolvenzfestes Sicherungsrecht.

Da der Vermögensarrest das Ziel einer möglichst frühzeitigen Sicherung des Vermögens des Beschuldigten verfolgt, kann der Vermögensarrest in das gesamte, gerade auch legal erworbene Vermögen des Beschuldigten vollzogen werden. Im vorliegenden Fall sogar, wenn sich hierdurch das Risiko der Insolvenz für die GmbH realisiert und diese bewusst durch das Gericht in Kauf genommen wird.

Aus dem Urteil wird deutlich, dass von Seiten des Gerichts auf den finanziellen Status des Betroffenen, auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung, wenig bis gar keine Rücksicht genommen wird. Auch im Fall der drohenden Existenzvernichtung durch Eintritt der Insolvenz wird einem vorläufigen Sicherungsinteresse der Vorrang vor dem Eigentumsgrundrecht des Betroffenen eingeräumt.

Beratungshinweise:

Die gerichtliche Bewertung und Abwägung im Fall des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelten dürfte entsprechend ebenfalls vollständig auf Steuerstrafverfahren übertragbar sein. Vor dem Hintergrund z.B. überzogener Schätzungen, die in der Regel zu hohen Steuernachforderungen führen, drohen insbesondere den betroffenen mittelständischen Betriebe große Liquiditätsschwierigkeiten und Insolvenzrisiken, soweit nicht eine entsprechende Eigenkapitalquote gebildet wurde. Die mögliche vorläufige Sicherungsanordnung durch Vermögensarrestanordnung gemäß § 111e Abs. 1 StPO ist demnach vom Betriebsinhaber als bedeutendes Risiko einzustufen. Bleibt der vorläufige Vermögensarrest auch auf die strafrechtliche anwaltliche Beschwerde hin in der Welt, wird der anschließende steuerliche Kampf gegen die Schätzungen vor den Fachgerichten der Finanzgerichtsbarkeit reine Makulatur und dürfte allenfalls noch den Insolvenzverwalter, aber nicht mehr den bereits durch die vorläufige Vermögens-Arrestierung um seine Existenz gebrachten Betroffenen interessieren.

Um so wichtiger ist es, bereits im Vorwege Maßnahmen zur Abwehr zu ergreifen – etwa durch Implementierung innerbetrieblicher Tax-Compliance-Systeme. Nur durch geeignete interne Kontrollmechanismen können, gerade auch im Mittelstand, steuerliche Risiken und Existenzrisiken bei aufkommenden steuerstrafrechtlichen Verdachtsmomenten vermieden werden.

Zur Implementierung eines vollständigen Tax-Compliance-Systems zur Vermeidung von steuerstrafrechtlichen vorläufigen Vollstreckungsmaßnahmen bedarf es einer umfassenden individuellen Beratung und innerbetrieblicher Analyse. Manchmal erschöpft sich der Beratungsumfang beim Mandanten bereits im Aufdecken der Schwachstellen und dem Anziehen weniger Stellschrauben.