Handel mit Kryptowährungen und Steuerliche Pflichten

Einführung

Der Handel mit Kryptowährungen wie Bitcoin, Ether und Monero hat stark zugenommen. Mit dem wachsenden Interesse an digitalen Währungen sind auch die steuerlichen Verpflichtungen in den Fokus gerückt. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat bereits mit Urteil vom 14. Februar 2023, IX R 3/22 klargestellt, dass Gewinne aus dem Verkauf von Kryptowährungen als private Veräußerungsgeschäfte steuerpflichtig sind. Die Finanzbehörden intensivieren ihre Überwachung des Krypto-Bereichs. So haben sie Sammelauskunftsersuchen an Betreiber von Krypto-Handelsplattformen gestellt, um Informationen über Kryptowährungstransaktionen zu erhalten und mögliche Steuerhinterziehungen aufzudecken. Anleger sind wie bereits in vergleichbaren Fällen von Onlineplattformen (z.B. Airbnb, Ebay, Kleinanzeigen, Etsy, Vinted usw.) gehalten, Berichtigungs- bzw. Nacherklärungsmöglichkeiten zu überprüfen, soweit sie ihren steuerlichen Erklärungspflichten nicht ausreichend nachgekommen sind.

Rechtliche Grundlagen

Laut dem BFH-Urteil IX R 3/22 werden Kryptowährungen als Wirtschaftsgüter eingestuft. Dies bedeutet, dass Gewinne aus dem Verkauf innerhalb eines Jahres nach Erwerb steuerpflichtig sind (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Für den Steuerpflichtigen ist es wichtig, alle Transaktionen genau zu dokumentieren, um die steuerliche Behandlung korrekt vornehmen zu können. Darüber hinaus hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) in einem Schreiben vom 10. Mai 2022 ausführliche Regelungen zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung von virtuellen Währungen und Token festgelegt.

Das Schreiben bietet umfassende Leitlinien und behandelt Aspekte wie Mining, Staking, Airdrops und Forks und legt fest, wie diese steuerlich zu bewerten sind.

Diese lassen sich in Stichworten wie folgt zusammenfassen:

1. Virtuelle Währungen und Token

Definition: Virtuelle Währungen sind digitale Einheiten, die als Tauschmittel akzeptiert werden, jedoch keinen gesetzlichen Währungsstatus besitzen (z.B. Bitcoin, Ether, Litecoin, Ripple). Token-Kategorien: Currency/Payment Token (als Zahlungsmittel), Utility Token (Nutzungsrechte) und Security Token (vergleichbar mit Wertpapieren).

2. Erwerb und Erstellung

Mining (Proof of Work): Erstellen von Blöcken durch Rechenleistung, belohnt mit neuen Einheiten der virtuellen Währung und Transaktionsgebühren. Staking (Proof of Stake): Blockerstellung durch das Halten von Einheiten, die Belohnung erfolgt durch das Einfügen eines neuen Blocks in die Blockchain. PoS (Proof of Stake): Forging ist ein Konsensmechanismus in Blockchain-Netzwerken, der im Zusammenhang mit Kryptowährungen verwendet wird und bezeichnet das Validieren neuer Blöcke in einem Proof of Stake (PoS) Protokoll, analog zum Mining in Proof of Work (PoW). Einkünfte im Zusammenhang mit der Blockerstellung wie z.B. durch PoW (Mining) oder durch PoS (Forging) sind im steuerrechtlichen Sinn nicht als Schaffung eines neuen Wirtschaftsguts zu verstehen, wie man annehmen könnte, sondern werden nach dem BMF-Schreiben als Anschaffungsvorgang bewertet und entsprechend steuerlich eingeordnet.

3. Steuerliche Behandlung

Wirtschaftsgutqualität: Einheiten virtueller Währungen und Token gelten als Wirtschaftsgüter. Hieraus folgt, dass folgende Einkunftsarten i.d.R. verwirklicht werden: Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S.d. § 15 Abs. 1 EStG, Kapitalvermögen, privaten Veräußerungsgeschäfte i.S.d. § 22 Nr. 2 EStG i.V.m. § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG, Sonstige Einkünfte gem. § 22 Nr. 3 EStG. Beachtlich ist, dass § 23 Abs. 1 Nr. 2 S. 4 EStG nicht zur Anwendung komm, wonach sich die Veräußerungsfrist nicht auf 10 Jahre verlängert, wenn die digitalen Einheiten zum Staking oder Lending gebutzt werden.

4. Betriebsvermögen vs. Privatvermögen

Die korrekte Einordnung, ob es sich um private Veräußerungsgeschäfte oder gewerbliches Handeln handelt, kann im Einzelfall komplex sein und zu unterschiedlichen steuerlichen Folgen führen, die ein Anwenderprogramm nicht übernimmt. Betriebsvermögen: Einkünfte aus der Veräußerung von Einheiten virtueller Währungen und Token im Betriebsvermögen sind als Betriebseinnahmen zu erfassen. Privatvermögen: Gewinne aus der Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen Einheiten virtueller Währungen innerhalb eines Jahres sind steuerpflichtig.

5. Besondere Ereignisse

Hard Forks: Entstehen neue Einheiten durch eine Fork, sind diese als separate Wirtschaftsgüter zu behandeln, Anschaffungskosten werden aufgeteilt. Airdrops: Erhalt zusätzlicher Einheiten kann zu sonstigen Einkünften aus Leistungen führen, wenn im Zusammenhang mit einer Leistung.

6. Initial Coin Offerings (ICOs)

Ertragssteuerliche Behandlung: Token-Ausgaben im Rahmen eines ICOs können sowohl Eigen- als auch Fremdkapital darstellen. Die ertragsteuerliche Behandlung erfolgt nach den allgemeinen Grundsätzen.

7. Verwendungsreihenfolge und Fristen

Veräußerungsgewinne: Der Gewinn aus der Veräußerung wird aus dem Veräußerungserlös abzüglich der Anschaffungs- und Werbungskosten ermittelt. FiFo-Prinzip (First-in-First-out) kann angewendet werden, wenn eine Einzelbetrachtung nicht möglich ist. Haltefrist: Für die Ermittlung der Jahresfrist wird auf die Zeitpunkte abgestellt, die sich aus der Wallet ergeben.

8. Anwendungsregelung

Die Grundsätze des BMF-Schreibens sind auf alle offenen Fälle anzuwenden.

9. Auswertungsprogramme

Es gibt mehrere Auswertungsprogramme zur Ermittlung steuerlicher Einkünfte aus dem Handel mit Kryptowährungen, wie Blockpit, Koinly, CoinTracking, Accointing und SevDesk. Diese Tools erleichtern die Erstellung der Steuererklärung und helfen, relevante steuerliche Aspekte zu berücksichtigen. Es ist jedoch wichtig, sich nicht allein auf diese Programme zu verlassen, sondern die Ergebnisse von einem Steuerexperten überprüfen zu lassen. Besonders die Einordnung, ob Veräußerungen im Betriebs- oder Privatvermögen zu erfassen sind, erfordert eine fundierte steuerrechtliche Prüfung, um unterschiedliche steuerliche Auswirkungen korrekt zu berücksichtigen. Das BMF-Schreiben vom 10. Mai 2022 stellt umfassende Regelungen zur ertragsteuerlichen Behandlung von virtuellen Währungen und Token dar und betont die Notwendigkeit der sorgfältigen Dokumentation und steuerlichen Berücksichtigung aller relevanten Transaktionen.

10. Steuerliche Fallstricke beim Handel mit Kryptowährungen

Ein häufiges Problem bei der Gewinnbesteuerung von Kryptowährungen ist das Risiko hoher Nachzahlungen. Diese können besonders belastend sein, wenn lediglich ein fiktiver Gewinn vorliegt, der nicht durch entsprechende Geldzuflüsse gedeckt ist. Zwar besteht die Möglichkeit, neu erworbene virtuelle Währungen in Fiat-Währungen umzutauschen, doch Kursverluste oder Wertlosigkeit in den Folgejahren stellen ein erhebliches Risiko dar. Denn in solchen Fällen können keine Erträge aus der Veräußerung erzielt werden, was bedeutet, dass ein Gewinn versteuert werden muss, ohne dass tatsächlich ein Geldeingang auf dem Konto verzeichnet wurde. Verluste, die ab dem zweiten Folgejahr entstehen, können nicht verrechnet werden. Die Regelung des § 23 Abs. 3 S. 7 und 8 EStG verhindert, dass diese Verluste nach § 10d EStG abgezogen werden dürfen. Stattdessen können sie nur mit Gewinnen der Folgejahre gemäß § 23 Abs. 1 EStG verrechnet oder in das Vorjahr zurückgetragen werden.

11. Unsere Empfehlung

Der Handel mit Kryptowährungen bringt erhebliche steuerliche Verpflichtungen und Risiken mit sich. Eine korrekte Dokumentation und rechtzeitige Berichtigung von Steuererklärungen sind essenziell, um steuerrechtliche Risiken zu vermeiden. Die Finanzbehörden sind geneigt, Steuerpflichtigen, die Einkünfte im Zusammenhang mit Kryptowährungen bislang nicht oder unvollständig erklärt haben, eine „letzte Chance“ zu geben. Trader werden insbesondere über diverse Sammelauskunftsersuchen der Finanzbehörde an die Handelsplattformen ermittelt und angeschrieben. Sie erhalten im besten Fall die schriftliche Aufforderung, eine Erklärung über die erzielten Einkünfte abzugeben. In der Steuerpraxis wird eine solche Aufforderung, sich selbst zu offenbaren, häufig als „goldene Brücke in die Steuerehrlichkeit“ gewertet. Das Zitat wird im Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 15. Mai 2019 (Az. VII ZR 1/19) verwendet und meint die noch vorhandene Möglichkeit eine Selbstanzeige abzugeben, die Steuerpflichtigen eine Chance bietet, ihre steuerlichen Verpflichtungen ohne strafrechtliche Konsequenzen zu erfüllen, sofern sie dies proaktiv tun, bevor die Finanzbehörden selbst auf die Unregelmäßigkeiten aufmerksam werden. Neben steuerstrafrechtlichen Konsequenzen können bei rechtzeitiger Abgabe auch steuerliche Schätzungen nach § 162 AO vermieden werden.

Unsere Kanzlei steht Ihnen bei allen Fragen rund um die Besteuerung von Kryptowährungen und deren steuerlicher Nacherklärung zur Seite.

Entscheidung des Bundesfinanzhofs zur Korrektur bestandskräftiger Bescheide nach Außenprüfung

Am 6. Mai 2024 entschied der Bundesfinanzhof (BFH) im Fall III R 14/22 zur Korrektur von bestandskräftigen Einkommensteuerbescheiden nach einer Außenprüfung. Der BFH hob das vorherige Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung zurück.

Hintergrund der Entscheidung
In den Jahren 2013 und 2014 ermittelte der Kläger, ein Einzelunternehmer, seinen Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG. Dabei wurden erheblicheMängel in der Kassenführung festgestellt. Die Aufzeichnungen waren nicht gegen nachträgliche Änderungen geschützt und es gab viele unbelegte Korrekturen auf den Z-Bons.

Wesentliche Aspekte der Entscheidung
Der BFH stellte fest, dass die Art und Weise der Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen als Tatsache im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu betrachten ist. Die Finanzbehörde kann aufgrund dieser Tatsachen eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen vornehmen, wenn die Aufzeichnungen unvollständig oder fehlerhaft sind.

Schätzung bei Mängeln in der Kassenführung
Sowohl bei Verletzung der Aufbewahrungspflicht als auch bei Verletzung der Aufzeichnungspflicht ist das Finanzamt dem Grunde nach zur Schätzung gemäß § 162 Abs. 1 und 2 AO berechtigt (BFH-Urteil vom 26.02.2004 – XI R 25/02, BFHE 205, 249, BStBl II 2004, 599, unter II.1.e). § 162 Abs. 1 Satz 1 AO regelt, dass die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen hat, soweit sie sie nicht ermitteln oder berechnen kann. Nach § 162 Abs. 2 Satz 1 und 2 AO ist insbesondere dann zu schätzen, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag beziehungsweise wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 Abs. 2 AO der Besteuerung zugrunde gelegt werden.

Nach § 158 AO in der in den Streitjahren geltenden Fassung sind die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, der Besteuerung zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden. Diese Vorschrift gilt auch für Aufzeichnungen, die nach Einzelsteuergesetzen (z.B. § 22 UStG) zu erstellen sind, sowie für Aufzeichnungen im Zusammenhang mit einer Einnahmenüberschussrechnung (Seer in Tipke/Kruse, § 158 AO Rz 2; vgl. BFH-Urteil vom 12.12.2017 – VIII R 5/14, BFH/NV 2018, 602, Rz 33 f.; vgl. BFH-Beschluss vom 08.08.2019 – X B 117/18, BFH/NV 2019, 1219, Rz 16). Grundsätzlich verdient eine Einnahmenüberschussrechnung nur bei Vorlage geordneter und vollständiger Belege Vertrauen und kann für sich die Vermutung der Richtigkeit in Anspruch nehmen(BFH-Urteile vom 15.04.1999 – IV R 68/98, BFHE 188, 291, BStBl II 1999, 481, unter II.3. und vom 12.12.2017 – VIII R 6/14, BFH/NV 2018, 606, Rz 57).

Das Fehlen einer Verpflichtung zur Aufzeichnung der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben bedeutet nicht, dass das Finanzamt die erklärten Gewinne oder Verluste stets ungeprüft hinnehmen muss. Der Steuerpflichtige trägt das Risiko, dass das Finanzamt oder das Finanzgericht die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen können und deshalb die Voraussetzungen für eine Schätzung gemäß § 162 AO erfüllt sind (vgl. BFH-Urteil vom 15.04.1999 – IV R 68/98, BFHE 188, 291, BStBl II 1999, 481, unter II.3. und BFH-Beschluss vom 11.11.2022 – VIII B 97/21, BFH/NV 2023, 113, Rz 13).

Zur (Hinzu-)Schätzung berechtigen auch formelle Mängel der Aufzeichnungen über Bareinnahmen, die zwar keinen sicheren Schluss auf eine Einnahmenverkürzung zulassen, aber dazu führen, dass keine Gewähr mehr für die Vollständigkeit der Erfassung der Bareinnahmen besteht, ohne dass eine nachträgliche Ergänzung der Dokumentation beziehungsweise eine anderweitige Heilung des Mangels möglich wäre (vgl. BFH-Urteil vom 25.03.2015 – X R 20/13, BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz 27; BFH-Beschlüsse vom 14.08.2018 – XI B 2/18, BFH/NV 2019, 1, Rz 10 und vom 08.08.2019 – X B 117/18, BFH/NV 2019, 1219, Rz 18 f.).

Beratungshinweis für Mandanten
Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung einer ordnungsgemäßen Kassenführung und Aufzeichnungspflichten für Einzelunternehmer. Fehlerhafte oder unzureichende Aufzeichnungen können zu nachträglichen Steuerkorrekturen und zusätzlichen Steuerbelastungen führen. Dies gilt nach BFH auch dann, wenn die jeweiligen Steuerbescheide nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen und bekanntgegeben worden sind. Solange der Vorbehalt der Nachprüfung besteht, kann die Finanzbehörde den Steuerbescheid jederzeit ändern, sowohl zu Gunsten als auch zu Ungunsten des Steuerpflichtigen. Dies ermöglicht der Behörde, nachträglich erkannte Fehler zu korrigieren oder zusätzliche Informationen zu berücksichtigen. Ein Steuerbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung wird nicht bestandskräftig. Das bedeutet, er erlangt nicht die gleiche rechtliche Unanfechtbarkeit wie ein endgültiger Steuerbescheid. Die Fristen für Einsprüche oder Klagen ändern sich jedoch nicht. Der Vorbehalt der Nachprüfung kann aber nicht unbegrenzt bestehen bleiben. Nach Ablauf der Festsetzungsverjährung, die in der Regel vier Jahre beträgt, kann der Bescheid nicht mehr geändert werden, es sei denn, es liegen bestimmte Ausnahmefälle vor (z.B. bei Steuerhinterziehung). Vorliegende BFH-Entscheidung stellt nunmehr klar, dass Bescheide auch ohne Vorbehalt der Nachprüfung über die Korrekturvorschrift des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zur Durchbrechnung der Bestandskraft vom Finanzamt herangezogen werden kann. Wir empfehlen daher dringend, Ihre Buchführungs- und Aufzeichnungspraxis regelmäßig zu überprüfen und sicherzustellen, dass alle gesetzlichen Anforderungen erfüllt sind. Bei Fragen oder Unsicherheiten stehen wir Ihnen gerne beratend zur Seite.

Gewinnerzielungsabsicht eines beratenden Betriebswirts bei Verlusten in der Anlaufphase – Ein Urteil des FG Münster

Einleitung

Am 13. Juni 2023 fällte das Finanzgericht (FG) Münster ein wegweisendes Urteil zur Gewinnerzielungsabsicht eines beratenden Betriebswirts bei Verlusten in der Anlaufphase seines Betriebs. Das Urteil klärt, unter welchen Umständen eine Gewinnerzielungsabsicht trotz andauernder Verluste angenommen werden kann und welche Kriterien dabei entscheidend sind. Dieser Beitrag beleuchtet die wesentlichen Punkte des Urteils und gibt abschließend Empfehlungen für Steuerpflichtige.

Hintergrund des Urteils

Der Kläger, ein Diplom-Kaufmann und Master of Arts, arbeitete bis 2015 als Unternehmensberater und nahm 2014 eine selbständige Tätigkeit als Unternehmensberater und Dozent auf. In den ersten Jahren seiner Selbständigkeit erzielte er nur geringe Einnahmen und meldete Verluste. Das Finanzamt erkannte die Verluste zunächst an, änderte jedoch später seine Auffassung und verneinte die Gewinnerzielungsabsicht des Klägers.

Wesentliche Punkte des Urteils

Das FG Münster entschied zugunsten des Klägers und stellte klar, dass bei der Bewertung der Gewinnerzielungsabsicht mehrere Faktoren berücksichtigt werden müssen:

  1. Berufliche Qualifikationen und Erfahrung: Der Kläger hatte jahrelange Erfahrung und zahlreiche berufliche Qualifikationen, was für eine ernsthafte Gewinnerzielungsabsicht spricht.
  1. Belastbares Betriebskonzept: Das Gericht erkannte an, dass das Betriebskonzept des Klägers geeignet war, zukünftig Gewinne zu erwirtschaften.
  1. Anlaufphase eines neuen Betriebs: Verluste in den ersten fünf Jahren eines neu gegründeten Betriebs sind nicht ungewöhnlich und können als Anlaufphase betrachtet werden.
  1. Fehlen persönlicher Gründe für die Verluste: Es gab keine Hinweise darauf, dass der Kläger die Verluste aus persönlichen Gründen hinnahm. Die Verluste allein wegen der Möglichkeit der Verrechnung mit den Einkünften seiner Ehefrau zu akzeptieren, reicht nicht aus, um eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht anzunehmen.
  1. Echte Kosten statt kalkulatorischer Kosten: Die vom Kläger geltend gemachten Kosten waren real und nicht nur theoretischer Natur.

Praktische Implikationen

Das Urteil hat erhebliche Auswirkungen auf die Praxis:

– Erhöhte Rechtssicherheit: Unternehmensberater und andere Freiberufler können sich auf dieses Urteil berufen, wenn sie in der Anlaufphase Verluste erleiden.

– Wichtigkeit einer soliden Geschäftsplanung: Eine gut durchdachte und dokumentierte Geschäftsstrategie kann helfen, die Gewinnerzielungsabsicht nachzuweisen.

– Berücksichtigung der individuellen Umstände: Bei der Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht müssen die spezifischen Umstände jedes Einzelfalls berücksichtigt werden.

Empfehlung für Steuerpflichtige

Für Steuerpflichtige, die in der Anlaufphase ihres Unternehmens Verluste erleiden, empfiehlt sich Folgendes:

  1. Dokumentation der Geschäftsstrategie: Halten Sie Ihre Geschäftspläne und -strategien detailliert fest, um die Ernsthaftigkeit Ihrer Gewinnerzielungsabsicht zu belegen.
  1. Nachweis beruflicher Qualifikationen und Erfahrungen: Dokumentieren Sie Ihre beruflichen Qualifikationen und relevanten Erfahrungen, um Ihre fachliche Eignung zu unterstreichen.
  1. Regelmäßige Überprüfung und Anpassung des Geschäftskonzepts: Überprüfen Sie regelmäßig Ihre Geschäftsstrategie und passen Sie diese bei Bedarf an, um langfristig profitabel zu arbeiten.
  1. Beweisführung für echte Betriebskosten: Stellen Sie sicher, dass alle geltend gemachten Kosten real und nachweisbar sind.
  1. Vermeidung des Anscheins persönlicher Gründe: Vermeiden Sie es, dass Verluste als aus persönlichen Gründen akzeptiert erscheinen. Ein professioneller und intensiver Geschäftsbetrieb sollte nach außen sichtbar sein.

Fazit

Das Urteil des FG Münster vom 13. Juni 2023 ist ein Urteil, welches die Bewertung der Gewinnerzielungsabsicht in der Anlaufphase eines Unternehmens klärt. Es bietet Freiberuflern und Unternehmensgründern mehr Rechtssicherheit und betont die Bedeutung einer gut dokumentierten Geschäftsstrategie. Steuerpflichtige sollten diese Aspekte berücksichtigen, um bei Verlusten in der Anlaufphase nicht in die Liebhabereifalle zu geraten

Zusammenfassung des BMF-Schreibens zur Änderung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO)

Hintergrund und Kontext

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat am 5. Februar 2024 ein Schreiben zur Änderung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) veröffentlicht. Diese Änderungen treten sofort in Kraft und berücksichtigen die Ergebnisse der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder. Das Schreiben betrifft hauptsächlich die Definition und die Anwendungsregelungen zu den Begriffen „Geschäftsleitung“ (§ 10 AO) und „Betriebstätte“ (§ 12 AO).

Änderungen zu § 10 AO – Geschäftsleitung

Definition der Geschäftsleitung:

Die „Geschäftsleitung“ wird als der „Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung“ definiert. Entscheidungsort ist dort, wo der maßgebliche Wille für die Geschäftsleitung gebildet wird und wichtige Maßnahmen der Geschäftsführung angeordnet werden.

Tagesgeschäft und Organisation:

Entscheidend ist der Ort, an dem alltägliche und organisatorische Maßnahmen tatsächlich ausgeführt werden.

Strategische Entscheidungen:

Maßnahmen, die die Grundlagen des Unternehmens betreffen, wie Unternehmenspolitik und wichtige wirtschaftliche Entscheidungen, sind nicht entscheidend für die Bestimmung des Ortes der Geschäftsleitung.

Räumliche Aspekte der Oberleitung:

Die Ausübung von Leitungsfunktionen erfordert keine feste Geschäftseinrichtung. Geschäftsleitende Handlungen können auch in der Wohnung des Geschäftsführers oder in den Räumen einer Dienstleistungs- oder Managementgesellschaft stattfinden.

Einzelfallbetrachtung:

Bei der Beurteilung sind Art, Umfang, Struktur und Eigenart des Unternehmens individuell zu berücksichtigen.

Mehrere Geschäftsleitungsorte:

Sind mehrere Orte für die Geschäftsleitung relevant, müssen die Tätigkeiten nach ihrer Bedeutung gewichtet werden, um den Hauptort der Geschäftsleitung zu bestimmen.

Notwendigkeit eines Geschäftsleitungsortes:

Jede juristische Person muss mindestens einen Ort der Geschäftsleitung haben.

Ermittlung durch das Finanzamt:

Wenn der vom Steuerpflichtigen angegebene Ort der Geschäftsleitung nicht bestätigt wird, ist der Wohnsitz des Geschäftsführers als Ort der Geschäftsleitung anzunehmen.

Änderungen zu § 12 AO – Betriebstätte

Definition der Betriebstätte:

Eine Betriebstätte erfordert eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche, die von Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat.

Nicht sichtbare Geschäftseinrichtungen:

Auch unterirdische Rohrleitungen (Pipelines) und bewegliche Geschäftseinrichtungen wie fahrbare Verkaufsstätten können als Betriebstätten gelten.

Rechtliche Befugnisse:

Für die Annahme einer Betriebstätte ist eine rechtliche Befugnis zur Nutzung der Einrichtung oder Anlage notwendig, die nicht einfach entzogen werden kann.

Homeoffice:

Die Tätigkeit eines Arbeitnehmers im Homeoffice begründet in der Regel keine Betriebstätte des Arbeitgebers.

Eigene unternehmerische Tätigkeit:

Eine Geschäftseinrichtung dient dann als Betriebstätte, wenn dort eine eigene unternehmerische Tätigkeit mit fester örtlicher Bindung ausgeübt wird.

Betriebsstätte in fremden Räumen:

Eine Betriebsstätte kann sich auch in den Räumen eines Dritten befinden, wenn dort die Geschäftsführung tatsächlich ausgeübt wird.

Fazit

Diese Änderungen des AEAO sollen für mehr Klarheit und Rechtssicherheit bei der Definition und Anwendung der Begriffe „Geschäftsleitung“ und „Betriebsstätte“ sorgen, indem sie präzise Kriterien und Beispiele für deren Bestimmung bieten

Automatischer Austausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen nach dem Finanzkonten-Informationsaustauschgesetz (FKAustG)

Einführung

Der automatische Austausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen spielt eine wesentliche Rolle im internationalen Kampf gegen Steuerhinterziehung und Steuervermeidung. Das Finanzkonten-Informationsaustauschgesetz (FKAustG) regelt in Deutschland die Durchführung dieses Austauschs. In diesem Beitrag informieren wir über die finale Staatenaustauschliste 2024, die für den automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten zum 30. September 2024 veröffentlicht wurde und über die Konsequenzen für Steuerpflichtige.

Hintergrund

Das Finanzkonten-Informationsaustauschgesetz (FKAustG) verpflichtet deutsche Finanzinstitute, Daten über meldepflichtige Finanzkonten an das Bundeszentralamt fürSteuern (BZSt) zu übermitteln. Diese Informationen werden dann automatisch mit den zuständigen Behörden anderer Staaten ausgetauscht. Ziel ist es, die Transparenz zu erhöhen und steuerliche Missbräuche zu verhindern.

Finale Staatenaustauschliste 2024 

Mit der Bekanntmachung vom 13. Juni 2024 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) die finale Staatenaustauschliste für 2024 veröffentlicht. Diese Liste enthält alle Staaten, mit denen Deutschland zum 30. September 2024 einen automatischen Austausch von Finanzinformationen durchführen wird. Die meldenden Finanzinstitute müssen dem BZSt die entsprechenden Finanzkontendaten bis zum 31. Juli 2024 übermitteln.

Rechtsgrundlage

Die Rechtsgrundlagen für den Austausch der Informationen ergeben sich aus verschiedenen internationalen Abkommen und EU-Richtlinien, darunter:
– Richtlinie 2011/16/EU des Rates über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung
– Mehrseitige Vereinbarung vom 29. Oktober 2014 zwischen den zuständigen Behörden über den automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten
– Übereinkommen über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen

Staaten auf der finalen Austauschliste 2024

Die finale Austauschliste 2024 umfasst eine Vielzahl von Staaten, darunter:
– EU-Mitgliedstaaten: Alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union

– Drittstaaten: Staaten, die Vertragsparteien der Mehrseitigen Vereinbarung sind und die Voraussetzungen für den Informationsaustausch erfüllen

Einige Beispiele aus der Liste:
– Albanien
– Andorra
– Anguilla
– Argentinien
– Australien
– Bahamas
– Bahrain
– Belgien
– Brasilien
– Britische Jungferninseln

Die vollständige Liste ist auf der Internetseite des BZSt unter www.bzst.bund.de einsehbar.

Bedeutung für Finanzinstitute

Die Finanzinstitute in Deutschland sind verpflichtet, die Daten der meldepflichtigen Konten für das Jahr 2023 bis zum 31. Juli 2024 elektronisch an das BZSt zu übermitteln. Diese Daten umfassen unter anderem:
– Kontoinhaber
– Kontostände
– Zinserträge
– Dividenden

Konsequenzen für Steuerpflichtige

Der automatische Austausch von Finanzkontoinformationen nach dem Finanzkonten-Informationsaustauschgesetz (FKAustG) hat mehrere wesentliche Konsequenzen für Steuerpflichtige. Diese Maßnahmen zielen darauf ab, Steuerhinterziehung und -vermeidung zu erschweren und die Transparenz zu erhöhen. Im Folgenden sind die wichtigsten Konsequenzen aufgeführt:

1. Erhöhte Transparenz und Entdeckungswahrscheinlichkeit
Durch den automatischen Austausch von Finanzkontoinformationen zwischen den Steuerbehörden verschiedener Länder erhöht sich die Transparenz erheblich. Steuerpflichtige können nicht mehr darauf vertrauen, dass Finanzinformationen im Ausland verborgen bleiben. Die Entdeckungswahrscheinlichkeit von nicht deklarierten ausländischen Konten und Einkünften steigt deutlich.

2. Verpflichtung zur korrekten Deklaration
Steuerpflichtige sind verpflichtet, sämtliche Einkünfte, einschließlich derjenigen aus ausländischen Finanzkonten, in ihrer Steuererklärung anzugeben. Unvollständige oder falsche Angaben können leichter aufgedeckt werden, was zu einer Korrektur der Steuererklärung und gegebenenfalls zu Nachzahlungen führt.

3. Strafrechtliche Konsequenzen
Sollten Steuerpflichtige ihre ausländischen Einkünfte nicht korrekt deklarieren und dies durch den Informationsaustausch aufgedeckt werden, drohen strafrechtliche Konsequenzen wegen Steuerhinterziehung. Dies kann zu erheblichen Geldstrafen und in schwerwiegenden Fällen zu Freiheitsstrafen führen.

4. Zinszahlungen auf Steuernachforderungen
Für nicht deklariertes Einkommen, das durch den Informationsaustausch aufgedeckt wird, können erhebliche Nachforderungen seitens der Steuerbehörden entstehen. Auf diese Nachforderungen werden Zinsen erhoben, die die finanzielle Belastung der Steuerpflichtigen weiter erhöhen.

5. Selbstanzeige und Strafbefreiung
Für Steuerpflichtige, die bisher unentdeckte ausländische Einkünfte nicht deklariert haben, besteht die Möglichkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige. Diese muss jedoch vollständig und rechtzeitig erfolgen, bevor die Steuerbehörden von den unversteuerten Einkünften Kenntnis erlangen.

6. Änderungen im Verhalten der Steuerpflichtigen
Die erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit und die strengen Konsequenzen führen dazu, dass Steuerpflichtige ihr Verhalten anpassen. Viele Steuerpflichtige werden verstärkt darauf achten, alle relevanten Einkünfte korrekt zu deklarieren und Steuerpflichten fristgerecht zu erfüllen.

7. Auswirkungen auf die Steuerplanung
Steuerpflichtige und ihre Berater müssen ihre Steuerplanungsstrategien überdenken. Die Nutzung ausländischer Konten zur Steuervermeidung wird durch den automatischen Informationsaustausch erheblich eingeschränkt. Steuerplanungsstrategien müssen daher den aktuellen gesetzlichen Vorgaben entsprechen und transparent sein.

Fazit

Der automatische Austausch von Informationen über Finanzkonten hat weitreichende Konsequenzen für Steuerpflichtige. Die gestiegene Transparenz und die verbesserten Möglichkeiten der Steuerbehörden, unversteuerte Einkünfte aufzudecken, erhöhen den Druck auf Steuerpflichtige, ihre Steuererklärungen korrekt und vollständig abzugeben. Um strafrechtliche Konsequenzen zu vermeiden, sollten Steuerpflichtige die Möglichkeit der
strafbefreienden Selbstanzeige in Erwägung ziehen und ihre Steuerpflichten umfassend erfüllen.

Für eine individuelle Beratung stehen unsere Experten Ihnen gerne zur Verfügung.

Quellen:
Bundesfinanzministerium, Bekanntmachung einer finalen Staatenaustauschliste 2024

 

Michael Olfen, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Straf- und Steuerrecht, ist Gründungspartner der Kanzlei Olfen Meinecke Völger Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB 

Grundsätze zur Anwendung des Steueroasen-Abwehrgesetzes (StAbwG)

Das Steueroasen-Abwehrgesetz (StAbwG) zielt darauf ab, steuerliche Missbräuche durch nicht kooperative Steuerhoheitsgebiete zu verhindern. In diesem Beitrag fassen wir die wesentlichen Inhalte und Maßnahmen des Gesetzes zusammen, wie sie im aktuellen Dokument des Bundesfinanzministeriums dargestellt sind.

I. Umsetzung der Maßnahmen der Gruppe Verhaltenskodex

Das StAbwG setzt die Maßnahmen der EU-Gruppe Verhaltenskodex (Unternehmensbesteuerung) um. Diese Maßnahmen richten sich gegen Steuerpraktiken, die als schädlich angesehen werden und die Integrität des Steuersystems gefährden.

II. Nicht kooperative Steuerhoheitsgebiete und Ansässigkeit

Das Gesetz definiert, welche Gebiete als nicht kooperativ gelten und welche steuerlichen Konsequenzen für Unternehmen und Einzelpersonen entstehen, die Geschäftsbeziehungen zu diesen Gebieten unterhalten.

III. Anwendungsbereich

Das StAbwG hat einen klar definierten Anwendungsbereich:

Persönlicher Anwendungsbereich: Es betrifft sowohl natürliche als auch juristische Personen, die in Deutschland steuerpflichtig sind.

Sachlicher Anwendungsbereich: Erfasst werden alle Geschäftsvorgänge mit Bezug zu nicht kooperativen Steuerhoheitsgebieten.

Zeitlicher Anwendungsbereich: Die Regelungen gelten ab einem bestimmten Zeitpunkt, der im Gesetz näher beschrieben ist​.

IV. Betroffene Geschäftsvorgänge

Das Gesetz beschreibt detailliert die Arten von Geschäftsvorgängen, die unter die neuen Regelungen fallen. Dazu gehören insbesondere Finanzierungsbeziehungen, Versicherungs- und Rückversicherungsprämien, Dienstleistungen sowie der Handel mit Waren und Dienstleistungen​.

V. Abwehrmaßnahmen

Das StAbwG sieht verschiedene Abwehrmaßnahmen vor, um steuerliche Missbräuche zu verhindern:

Wichtige Änderungen und Maßnahmen

  1. Hinzurechnungsbesteuerung: Die verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung gilt ab 2024 für alle Einkünfte, nicht nur passive. Das bedeutet, dass Gewinne von Tochtergesellschaften in nicht kooperativen Gebieten stärker besteuert werden.
  2. Erhöhte Mitwirkungspflichten: Unternehmen müssen umfassendere Aufzeichnungs- und Meldepflichten erfüllen. Diese Informationen müssen bei Aufforderung der Finanzbehörde an Eides statt versichert werden.
  3.  Quellensteuermaßnahmen: Es werden erweiterte Quellensteuern auf Zahlungen in nicht kooperative Gebiete erhoben.
  4. Versagung von Abkommensvorteilen: Die Vorteile aus Doppelbesteuerungsabkommen werden verweigert, was die steuerliche Attraktivität von Geschäftsbeziehungen zu diesen Gebieten weiter mindert.
  5. Verbot des Betriebs- und Werbungskostenabzugs: Ab 2027 dürfen Betriebsausgaben und Werbungskosten, die im Zusammenhang mit Geschäften in nicht kooperativen Gebieten stehen, nicht mehr steuerlich geltend gemacht werden.
  6. Steuerfreistellung bei Gewinnausschüttungen: Ab 2026 wird die Steuerfreistellung von Gewinnausschüttungen und Anteilsveräußerungen aufgehoben.
VI. Gesteigerte Mitwirkungspflichten

Steuerpflichtige, die Geschäfte mit nicht kooperativen Steuerhoheitsgebieten tätigen, unterliegen erhöhten Mitwirkungspflichten. Sie müssen detaillierte Aufzeichnungen führen und diese der Finanzverwaltung vorlegen. Bei Verletzung dieser Pflichten werden steuerliche Sanktionen verhängt​.

VII. Verhältnis zu anderen Regelungen

Das StAbwG wird in Verbindung mit anderen steuerlichen Regelungen angewendet, um eine umfassende Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken zu gewährleisten. Es steht im Vorrang zu bestimmten anderen Abzugsverboten, wie der Zinsschranke nach § 4h EStG​.

VIII. Liste der nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiete

Die EU führt eine Liste von Ländern und Gebieten, die als nicht kooperativ in Steuerangelegenheiten gelten. Diese Liste wird regelmäßig aktualisiert und bildet die Grundlage für die Anwendung der Maßnahmen des StAbwG.

Zusätzlich zu Russland sind die folgenden 15 Länder und Gebiete als nicht kooperative Länder und Gebiete für Steuerzwecke eingestuft:

1. Amerikanisch-Samoa
2. Anguilla
3. Bahamas
4. Britische Jungferninseln
5. Costa Rica
6. Fidschi
7. Guam
8. Marshallinseln
9. Palau
10. Panama
11. Samoa
12. Trinidad und Tobago
13. Turks- und Caicosinseln
14. Amerikanische Jungferninseln
15. Vanuatu

Diese Gebiete erfüllen die Kriterien des § 2 StAbwG und stehen daher im Fokus der Abwehrmaßnahmen des Gesetzes. Änderungen und Aktualisierungen der Liste erfolgen regelmäßig und werden im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.

Fazit

Das Steueroasen-Abwehrgesetz ist ein wichtiger Schritt zur Bekämpfung von Steuervermeidungsstrategien und zur Sicherstellung einer fairen Besteuerung. Unternehmen und Einzelpersonen sollten sich mit den neuen Regelungen vertraut machen und ihre Geschäftsbeziehungen entsprechend überprüfen und anpassen.

Für weiterführende Informationen und individuelle Beratung steht Ihnen unser Team gerne zur Verfügung. Bleiben Sie informiert und steuerlich auf der sicheren Seite!

Quellen:

Bundesfinanzministerium, Grundsätze zur Anwendung des Steueroasen-Abwehrgesetzes (StAbwG)

Michael Olfen, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Straf- und Steuerrecht, ist Gründungspartner der Kanzlei Olfen Meinecke Völger Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB 

Die Überarbeitung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) durch das BMF

Die Finanzverwaltung hat den Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) mit Schreiben vom 5.2.2024 (IV D 1 – S 0062/23/10003) an zahlreichen Stellen überarbeitet und an die aktuelle Rechtsprechung– insbesondere zum Ort der Geschäftsleitung und zur Betriebsstätte – angepasst und wichtige Ergänzungen vorgenommen.

In AEAO zu § 10 Ziffer 1. wird die „Geschäftsleitung“ als der „Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung“ definiert. Nach der Rechtsprechung des BFH ist dies der Ort, an dem der für die Geschäftsleitung maßgebliche Wille gebildet wird und die für die Geschäftsführung notwendigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit angeordnet werden (BFH-Urteil vom 3.7.1997, IV R 58/95, BStBl 1998 II S. 86).

Unter Ziffer 4. zu § 10 im AEAO wird hierzu detaillierter dargelegt, dass die Oberleitung als „Ausübung von Leitungsfunktionen“ üblicherweise in dafür geeigneten Räumen ausgeübt wird. Allerdings ist lt. BMF-Schreiben eine feste – und zudem eigene – Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit des Unternehmens dient, hierfür nichterforderlich. Geschäftsleitende Handlungen i. S. d. Tagesgeschäfts eines Unternehmens können auch in der Wohnung des Geschäftsführers vorgenommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 23.1.1991, I R 22/90, BStBl II S. 554).

Die Geschäftsleitungsbetriebstätte kann sich aber beispielsweise auch in den Räumlichkeiten einer eingeschalteten Dienstleistungs- oder Managementgesellschaft (BFH-Urteile vom 3.7.1997, IV R 58/95, BStBl 1998 II S. 86, und vom 23.3.2022, III R 35/20, BStBl II S. 844) oder dem als Unterkunft bereitgestellten Baucontainer o. ä. im Bauleistungsgewerbe (vgl. BFH-Urteil vom 16.12.1998, I R 138/97, BStBl 1999 II S. 437) befinden.

Viele Unternehmer oder Freiberufler nutzen zunehmend sogenannte co-working oder shared-office Arbeitsplätze mit weiteren Bürodienstleistungen zur Ausübung ihrer Tätigkeit. Die Einschaltung eines Büroservice-Unternehmens ist nach der Verwaltungsanweisung aber nur dann beachtlich, wenn dort tatsächlich unternehmerische Entscheidungen von Gewicht (Geschäftsleitung) getroffen werden.

Das heißt, der Abschluss eines Miet-/ Nutzungsvertrags, der die jederzeitige Nutzungsmöglichkeit des shared-office-Platzes ermöglicht, ist allein kein Kriterium für die Annahme einer Geschäftsleitungsbetriebsstätte, wenn von dort keine tatsächlich unternehmerischen Entscheidungen von Gewicht (Geschäftsleitung) getroffen werden.

In der aktuellen Verwaltungsanweisung wird der Begriff der „Betriebsstätte“, der in zahlreichen Normen Bedeutung erlangt (z.B. §§ 12, 18 usw.) und eine große Rolle für die Anknüpfung der Besteuerung spielt, ebenfalls weiter konkretisiert und ergänzt.

So wird im AEAO unter § 12 Ziffer 1. auf die Betriebstätte eingegangen, wonach gemäß § 12 Satz 1 AO die Annahme einer Betriebstätte eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche voraussetzt, die von einer gewissen Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat (BFH-Urteil vom 5.11.2014, IV R 30/11, BStBl 2015 II S. 601)

In diesem Kontext wird auch zum Homeoffice als Betriebsstätte durch das BMF Stellung genommen. Danach begründet die Tätigkeit eines Arbeitnehmers in dessen häuslichem Homeoffice in der Regel keine Betriebstätte des Arbeitgebers. Auch abkommensrechtlich begründet ein häusliches Homeoffice nach deutscher Anwenderstaatsperspektive in der Regel keine Betriebsstätte (feste Einrichtung gemäß Artikel 5 Abs. 1 und Abs. 4 OECD-MA).

Dies gilt laut der Verwaltungsanweisung auch bei:

  • Übernahme der Kosten für das Homeoffice und dessen Ausstattung durch den

Arbeitgeber;

  • Abschluss eines Mietvertrages über häusliche Räume des Arbeitnehmers

zwischen Arbeitgeber (Mieter) und Arbeitnehmer (Vermieter), außer der

Arbeitgeber ist im Einzelfall tatsächlich befugt, die Räume anderweitig zu

nutzen (etwa durch ein Recht zum Entsenden anderer Arbeitnehmer in die

Räume oder ein Recht zum Betreten der Räume außerhalb von Prüfungen zur

Arbeitssicherheit);

  • Fällen, in denen dem Arbeitnehmer kein anderer Arbeitsplatz durch den

Arbeitgeber zur Verfügung gestellt wird.

Grund hierfür ist, dass der Arbeitgeber typischerweise nicht über eine ausreichende Verfügungsmacht über die häuslichen Räumlichkeiten des Arbeitnehmers verfügt. Anderes kann gelten, wenn ein Arbeitnehmer Leitungsfunktionen ausübt und diese Verfügungsmacht des Unternehmens vermittelt.

Eine Klarstellung zu § 12 Ziffer 10 ist für das internationale Steuerrecht und die Anwendbarkeit von Doppelbesteuerungsabkommen wichtig. Das BMF-Schreiben erwähnt noch abschließend gesondert – ohne dass es dazu eigentlich eines besonderen Hinweises nach der geltenden BFH-Rechtsprechung bedurft hätte – dass soweit die Steuergesetze (insbes. EStG und GewStG) den Begriff „Betriebstätte“ verwenden, ohne ihn selbst abweichend von § 12 AO zu definieren (wie etwa § 41 Abs. 2 EStG), sich dieser Begriff grundsätzlich nicht nach der Definition eines einschlägigen DBA bestimmt, sondern nach innerstaatlichem Recht (vgl. BFH-Urteil vom 20.7.2016, I R 50/15, BStBl 2017 II S. 230). DBA legen lediglich fest, in welchem Umfang eine nach innerstaatlichem Recht, unter Berücksichtigung des § 12 AO, bestehende Steuerpflicht entfallen soll. Eine in einem DBA vorgenommene, von § 12 AO abweichende Definition des Begriffs „Betriebstätte“ ist daher nur im Rahmen dieses DBA anwendbar, sofern im innerstaatlichen Recht nichts anderes bestimmt ist.

An dieser Stelle treten häufig in der Praxis Missverständnisse auf und führen zu fehlerhaften Annahmen bei er Definition einer „Betriebsstätte“.

Die von der Finanzverwaltung  veröffentlichten Verwaltungsanweisungen dienen zwar lediglich der Auslegung und Anwendung der Steuergesetze des Bundes und sind entsprechend von der Steuerverwaltung im Vollzug dieser Gesetze zu beachten. Sie haben demnach nicht den Rang eines Gesetzes und mit dem Erlass werden keine Gesetze geändert oder gleich neu geschaffen, sondern binden lediglich die Finanzbehörden bei der Anwendbarkeit der Steuergesetze. Trotzdem sind Verwaltungsanweisungen von erheblicher Bedeutung für Steuerpflichtige. Zeigen diese doch, wie die Finanzverwaltung steuerrechtliche Begriffe in den jeweiligen Steuergesetzen im Einzelfall und detaillierter handhaben wird.

Verwaltungsanweisungen sind daher unerlässlich für die Rechts- und Planungssicherheit der Steuerpflichtigen.

Michael Olfen, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Straf- und Steuerrecht, ist Gründungspartner der Kanzlei Olfen Meinecke Völger Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB 

 

Tatsächliche Verständigung in grenzüberschreitenden Sachverhalten durch BMF erheblich erschwert 

Das BMF hat am 23.06.23 bekanntgegeben, dass die Verwaltungspraxis für die Anwendbarkeit einer tatsächlichen Verständigung (tV) über den der Steuerfestsetzung zugrunde liegenden Sachverhalt bei grenzüberschreitenden Sachverhalten (vgl. BMF-Schreiben vom 30. Juli 2008 (BStBl I S. 831), zuletzt ergänzt durch BMF-Schreiben vom 15. April 2019 (BStBl I S. 447), ergänzt wird. Das BMF-Schreiben vom 30. Juli 2008 (BStBl I S. 831), zuletzt ergänzt durch das BMF-Schreiben vom 15. April 2019 (BStBl I S. 447), sieht nunmehr bei Vorliegen grenzüberschreitender Sachverhalte vor, dass das Instrument der tatsächlichen Verständigung nur zurückhaltend anzuwenden ist und verweist auf die bestehenden Instrumente der internationalen Verwaltungszusammenarbeit, z. B. die Möglichkeit einer grenzüberschreitenden Betriebsprüfung, sowie insbesondere auf die Schätzungsmöglichkeiten der Finanzämter nach § 162 Absatz 2 bis 4 AO. Zudem soll im Einzelfall der Abschluss einer tatsächlichen Verständigung in grenzüberschreitenden Sachverhalten erfolgen (Tz. 4.1. Absatz 2), die tatsächliche Verständigung zusätzlich auch von der (ggf. im Ausland ansässigen) Konzernspitze unterzeichnet werden. 

Was ist eine tatsächliche Verständigung?

Eine tV ist in der täglichen anwaltlichen Praxis ein besonders wertvolles Werkzeug, um mit der Finanzbehörde eine einvernehmliche Einigung zu der Besteuerung unterfallenden Sachverhalten zu erhalten. Dabei soll sie sowohl eine effektive Besteuerung als auch die Sicherung des Rechtsfriedens ermöglichen. Inhalt einer tV kann lediglich ein Sachverhalt sein, der nur unter erschwerten Bedingungen ermittelt werden kann. Es geht somit um das Ermitteln von Tatsachen, die beispielsweise aufgrund eines Verlusts von Unterlagen oder gemäß der Natur der Sache nicht ohne Weiteres festgestellt werden können.  

Die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung sowie das Prinzip der Gleichmäßigkeit der Besteuerung verbieten Vergleichsabkommen über Steueransprüche. Daraus folgt, dass sich eine tV niemals auf eine Rechtsfrage, Rechtsfolge oder die Anwendung von Rechtsvorschriften beziehen kann. Ebenso unzulässig sind tVs, die zu offensichtlich anzutreffenden Ergebnissen führen. Inhaltlich befassen sich die Verständigungen daher einzig mit der Einigung auf die Annahme bestimmter Tatsachen und Lebenssachverhalte, die von keiner Seite tatsächlich sicher festgelegt werden können. Sie stellen mithin eine Art „einvernehmliche Schätzung“ dar. Eine solche kann in jedem Stadium eines Steuerstreits getroffen werden und entfaltet Bindungswirkung für beide Seiten. Voraussetzungen für eine tV sind insbesondere das Vorliegen eines Schätzungs-, Bewertungs-, Beurteilungs- oder Beweiswürdigungsspielraum seitens der Verwaltung.  

Die getroffene tatsächliche Verständigung ist unter Darstellung der Sachlage und mit einem Hinweis auf die Bindungswirkung schriftlich festzuhalten und von den Beteiligten zu unterschreiben. 

Durch den Abschluss der tV ist der in ihr festgelegte Sachverhalt bindend. Nachträgliche Erkenntnisse oder nachfolgende Veränderungen sind im Hinblick auf die Bindungswirkung grundsätzlich unbeachtlich. Einzig bei Vorliegen der Voraussetzungen der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB kann eine Unwirksamkeit der tV eintreten. Weiterhin sind die Regeln des BGB über Willenserklärungen anwendbar, sodass beispielsweise eine Anfechtung nach §§ 119, 120, 123  BGB in Betracht kommen kann.   

Eine tatsächliche Verständigung bietet Steuerpflichtigen einen klaren Vorteil. Sie ermöglicht, sich in die Sachverhaltsermittlung der Steuerbehörden einzubringen und verhindert etwaige „böse Überraschungen“, die aus einer Schätzung nach § 162 AO resultieren könnten. Als Alternative zum Bestreiten des Rechtswegs gegen eine bereits durch die Finanzbehörden getroffene Schätzung ist sie weniger zeit- und kostenintensiv. Letztlich bietet eine tV für die Steuerpflichtigen lediglich Vorteile.  

Was ändert sich?

Lange war eine tatsächliche Verständigung ein beliebtes Mittel, um internationale Sachverhalte mit oftmals unübersichtlichen Strukturen effektiv und einvernehmlich festzulegen. Die vor kurzem verkündetet neue Verwaltungspraxis bedeutet nun, dass der Abschluss mit den Finanzbehörden bei Auslandssachverhalten im Rahmen einer tV künftig erheblich erschwert sein dürfte. Obwohl gerade in Auslandssachverhalten eine tV besonders als Mittel geeignet erscheint, das Besteuerungsverfahren in nicht mehr oder kaum noch aufklärbaren Sachverhalten zu beschleunigen und eine streitvermeidende, weniger kostenintensive Lösung herbeizuführen. Mit dem Hinweis auf die grenzüberschreitenden Betriebsprüfung wird der Fokus künftig eher auf das Ergebnis einer durch zahlreiche internationale Abkommen gestützten Zusammenarbeit der Finanzbehörden gelegt, als den Steuerpflichtigen über eine tatsächliche Verständigung „mit ins Boot zu holen“. Über eine zunehmende digitale Arbeitsweise der internationalen Steuerbehörden erscheint die mit dem Steuerpflichtigen zusammen erarbeitete einvernehmliche Herstellung des Rechtsfriedens über eine tV entbehrlich geworden zu sein. Auch der weitere Hinweis auf die gesetzlichen Grundlagen einer Schätzung bei grenzüberschreitenden Fällen dürfte ausschließlich zu Lasten des Steuerpflichtigen zu interpretieren sein. 

International agierende Unternehmen und andere Steuerpflichtige, die im Ausland steuerpflichtiges Vermögen besitzen bzw. bilaterale Steuersachverhalte verwirklichen, sind daher „gut beraten“, noch mehr Wert auf eine ständige und detaillierte Dokumentation ihrer grenzüberschreitenden Aktivitäten und Nachweise zu den Besteuerungsgrundlagen zu legen, als das bisher schon der Fall war, um überhöhten Schätzungen wirksam entgegentreten zu können. 

 

Michael Olfen, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Straf- und Steuerrecht, ist Gründungspartner der Kanzlei Olfen Meinecke Völger Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB 

Lotta Ann Olfen ist studentische Hilfskraft der Kanzlei Olfen Meinecke Völger

 

NRW erhält Daten einer Handelsplattform für Kryptowährungen

Das nordrhein-westfälische Ministerium der Finanzen hat auf ein Auskunftsersuchen hin Daten über Händler*innen auf Kryptoplattformen erhalten, welche nun auf Nachweise für Steuerhinterziehungen untersucht werden. Das Datenpaket sei bereits mit anderen Bundesländern geteilt worden.  

Wie in einem vorherigen Blogpost erklärt, unterliegen Einkünfte aus dem Handel mit Kryptowährungen gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG als privates Veräußerungsgeschäft der Einkommensteuer. Dies hat insbesondere zur Folge, dass Gewinne aus dem Handel mit Currency Tokens bei einer Haltedauer von unter einem Jahr in Höhe des persönlichen Steuersatzes versteuert werden müssen. Werden die Kryptowährungen über ein Jahr gehalten, sind Gewinne aus der Veräußerung grundsätzlich nicht zu versteuern. Anderes gilt für das Mining von Tokens, welches bei sehr geringem Umfang steuerfrei bleiben kann, in der Regel aber der Gewerbesteuer unterworfen ist. Grundsätzlich ist es für Trader empfehlenswert, ihre An- und Verkäufe übersichtlich und plausibel zu dokumentieren und dadurch einen Nachweis für die Steuerbarkeit zu erbringen, sodass effektiv gegen einen etwaigen Schätzungsbescheid vorgegangen werden kann. Durch die Auskunft an die Finanzämter erhalten diese nun zumindest für die Trades auf den betroffenen Krypto-Handelsplattformen Informationen über private Einkünfte. Daraus können sie auch ohne die Auflistung durch die Steuerpflichtigen den Zeitraum sowie die Höhe der Gewinne ermitteln und den Umfang der Steuerpflicht bestimmen.  

Wer nun Gefahr läuft, einer Steuerhinterziehung beschuldigt zu werden, sollte über eine strafbefreiende Selbstanzeige nachdenken. Auch ein Einspruch gegen festgesetzte Steuerbescheide kann sich u.U. lohnen.  

Sprechen Sie uns gerne an, wenn wir Ihnen Unterstützung bieten können. 

 

Dr. Fabian Meinecke, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Straf- und Steuerrecht, ist Gründungspartner der Kanzlei Olfen Meinecke Völger Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB 

Lotta Ann Olfen ist studentische Hilfskraft der Kanzlei Olfen Meinecke Völger

Die Meldepflichten nach dem Plattformen Steuertransparenzgesetz (PStTG)

Am 1. Januar 2023 ist das Plattformen-Steuertransparenzgesetz (PStTG) in Kraft getreten, welches Betreiber*innen von Onlinevermarktungs-Plattformen eine Meldepflicht an die Finanzbehörden auferlegt. Um Steuerhinterziehungen der Personen zu vermeiden, welche auf diesen Plattformen Waren, Dienstleistungen oder Ähnliches entgeltlich anbieten, sollen die Betreiber*innen der Seiten Informationen über Nutzende sammeln und im nächsten Schritt an die zuständigen Finanzbehörden übermitteln.  

 

Welche Plattformen sind betroffen und wer gilt als “Betreiber”?  

Nach § 3 PStTG ist eine Plattform jedes auf digitalen Technologien beruhende System, welches Nutzenden ermöglicht, über das Internet in Kontakt zu treten und Rechtsgeschäfte abzuschließen, die auf “relevante Tätigkeiten” nach § 5 PStTG gerichtet sind. Solche “relevanten Tätigkeiten” sind der Verkauf von Waren, die Erbringung persönlicher Dienstleistungen sowie die zeitlich begrenzte entgeltliche Überlassung von Nutzungen und anderen Rechten an jeder Art von Verkehrsmittel oder unbeweglichem Vermögen. Im Rahmen des  PStTG ist also jede Internetseite relevant, auf welcher Waren und Dienstleistungen verkauft oder Immobilien und (Kraft-)Fahrzeuge vermietet werden. Sollte dafür jedoch keine Vergütung anfallen, besteht keine Meldepflicht nach dem PStTG für die Betreibenden. Eine Vergütung ist jegliche Form von Entgelt, welches dem Anbietenden nach Abzug der vom Plattformbetreiber einbehaltenen Steuern, Gebühren oder Provisionen gutgeschrieben oder ausgezahlt wird, § 5 Abs. 2 PStTG. Folglich kommt es darauf an, dass das Anbahnen sowie das Abwickeln des Rechtsgeschäfts über den zur Verfügung gestellten Onlinedienst erfolgen muss. 

Ausgeschlossen sind demnach Plattformen, auf denen  

  • ausschließlich die eigenen Waren vertrieben werden, es also keine Einrichtung gibt, die andere Anbieter*innen nutzen können, 
  • lediglich Zahlungen abgewickelt werden, unabhängig von einer Gegenleistung, 
  • Werbung geschaltet oder ein Überblick über Leistungen geboten wird, 
  • oder nur eine Kommunikation zwischen den Parteien erfolgt, welche wiederrum über andere (Internet-)Dienste die Geschäfte abwickeln.  

Als Plattformbetreiber gilt gemäß § 3 Abs. 2 jeder Rechtsträger, der sich verpflichtet, eine Plattform für Anbietende zur Verfügung zu stellen, somit die für die Internetseite verantwortliche natürliche oder juristische Person. 

 

Wie weit reicht die Meldepflicht? Welche Ausnahmen gibt es?  

Die meldepflichtigen Informationen finden sich in § 14 PStTG. Über die Erhebung und Weitergabe der Daten müssen die Nutzenden durch den Plattformbetreiber gemäß § 22 PStTG informiert werden.  

Die in § 14 PStTG katalogisierten Informationen müssen allerdings nur über solche Nutzer*innen erhoben und ermittelt werden, welche die persönlichen Voraussetzungen der Meldepflicht erfüllen. Eine solche entfällt insbesondere für Anbietende, die weniger als 30 Geschäfte abgeschlossen und dadurch weniger als 2.000 Euro erhalten haben.  

Daraus folgt, dass Betreiber*innen selbst überprüfen müssen, welche der Nutzenden diese Erheblichkeitsschwelle überschreiten. Eine dahingehende Kontrolle muss somit intern vor Weitergabe der Daten erfolgen und stellt einen Mehraufwand für Plattformbetreiber*innen dar. Sie können sich für das Ermitteln der Meldepflicht bezüglich der Anbietenden jedoch auf öffentlich zugängliche Informationen, die eigenen Aufzeichnungen sowie eine Selbstauskunft des Anbietenden verlassen, § 19 Abs. 1 PStTG.  

Um die Mitwirkungspflicht der Nutzenden durchzusetzen, müssen Plattformbetreiber*innen nachlässige Anbieter*innen zwei Mal an die Vorlage der erforderlichen Informationen erinnern, § 23 S. 1 PStTG. Sollten diese auch darauf nicht reagieren, so ist es die Pflicht der Betreibenden, das Konto der Betroffenen frühestens 60 Tage und spätestens 180 Tage nach der ersten Aufforderung zu sperren, § 23 S. 2 Nr. 1 PStTG und jegliche Zahlungen einzubehalten, § 23 S. 2 Nr. 2 PStTG. Sobald eine Meldung durch die Anbietenden nachgeholt wird, sind die beschriebenen Maßnahmen aufzuheben, § 23 S. 3 PStTG.  

 

Was sind die Folgen für Anbietende und Betreiber*innen? 

Anbieter*innen auf Online-Plattformen, die Produkte verkaufen, Dienstleistungen anbieten, ihre Immobilien über eine Ferienhausvermittlung vermieten oder regelmäßig Fahrzeuge entgeltlich zur Verfügung stellen, müssen dem Plattformbetreiber gegebenenfalls umfangreichere Selbstauskünfte erteilen als bisher. Sonst ändert sich für sie nichts. Sie sollten aber in jedem Fall beachten, dass die auf einer Plattform erzielten steuerpflichtigen Einkünfte den Finanzämtern bekannt werden.  

Die Betreiber*innen einer Plattform, welche unter das PStTG fallen könnte, müssen entweder gemäß § 3 Abs. 3 PStTG vor dem Bundeszentralamt für Steuern oder einer anderen zuständigen europäischen Behörde nachweisen, dass die Plattform nicht die Voraussetzung der Meldepflicht erfüllt, oder sich im Falle einer Meldepflicht gemäß § 12 PStTG bei der zuständigen Behörde registrieren. Wird dies unterlassen, kann das Bundeszentralamt für Steuern den weiteren Betrieb der Plattform untersagen und deren Sperrung anordnen, § 26 Abs. 2 PStTG.  

Auch müssen Plattformbetreibende nun ein System entwickeln, welches zum einen die Informationserhebung ermöglicht und zusätzlich die meldepflichtigen Anbieter*innen von den Nichtmeldepflichtigen unterscheidet. Alle gesammelten relevanten Daten müssen gemäß § 13 Abs. 1 S. 1 PStTG im Folgejahr, nachdem ein*e meldepflichtige*r Anbieter*in identifiziert wurde, gemeldet werden. Auch hier ist also kein plattformübergreifender Maßstab angelegt, sondern auf jede*n Anbieter*in einzeln abzustellen.  

Die Plattformbetreibenden treffen zudem Sorgfaltspflichten nach § 17 bis 20 PStTG. Sie müssen naturgemäß zunächst alle relevanten Informationen von den Nutzer*innen abfragen, § 17 PStTG, und diese darüber hinaus im Sinne des § 18 PStTG auf ihre Plausibilität überprüfen. Soweit es erforderlich und angemessen ist, erlaubt § 18 Abs. 1 Hs. 2 PStTG zwecks dieser Plausibilitätsprüfung eine Weiterverarbeitung der erhobenen Daten. Insbesondere elektronische Schnittstellen, die eine Überprüfung von Steuernummern ermöglichen und von der Europäischen Union oder einem Mitgliedsstaat zur Verfügung gestellt werden, können dafür genutzt werden, § 18 Abs. 1 S. 2 PStTG. Haben Anbietende unrichtige Angaben gemacht und wird dies erkannt, müssen die Betreibenden unverzüglich neue Informationen erheben, § 18 Abs. 1 S. 3 PStTG. Für das erneute Erheben und Erfragen von korrekten Angaben dürfte § 23 PStTG gelten, sodass im Falle von erneuten Falschauskünften eine Sperrung des Anbieters droht. Sollte darüber hinaus das Bundeszentralamt für Steuern die Betreibenden in konkreten Fällen dazu auffordern, müssen die Informationen eines Anbieters, die vom Bundeszentralamt als unrichtig erachtet werden, von dem Betroffenen abgefragt und durch Belege bestätigt werden. Die Betreibenden fungieren gemäß § 18 Abs. 3 PStTG also auch als Schnittstelle zwischen Steuerbehörde und Steuerpflichtigen.  

Plattforminhaber*innen trifft also eine Fülle an neuen Pflichten. Um diesen gerecht zu werden, ist es ihnen gestattet, die Erfüllung der Vorschriften des PStTG gemäß § 21 PStTG an Dritte auslagern. Dabei wird jedoch nicht die Verantwortlichkeit, sondern lediglich die Durchführung abgegeben, § 21 Abs. 3 PStTG. Wer also einen Fremddienstleister zur Unterstützung engagiert, kann zwar den Arbeitsmehraufwand auslagern, allerdings nicht die neuerliche Verantwortung.  

Der Verstoß gegen eine Pflicht aus dem PStTG stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, welche je nach Art des Pflichtverstoßes mit einer Geldbuße von bis zu maximal 50.000 Euro geahndet wird, § 25 Abs. 2 PStTG.  

 

Michael Olfen, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Straf- und Steuerrecht, ist Gründungspartner der Kanzlei Olfen Meinecke Völger Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB 

Lotta Ann Olfen ist studentische Hilfskraft der Kanzlei Olfen Meinecke Völger