Steuerstraftaten nach den §§ 370ff. AO – welche Straftaten fallen darunter?

Zuständig für die Verfolgung von Steuerstraftaten nach den §§ 370 ff. AO ist neben der Justiz die Steuerverwaltung.Von den Steuerstraftaten abzugrenzen sind die Zollstraftaten, die durch die Zollverwaltung verfolgt werden. Die meisten Verstöße aus dem Bereich der Wirtschaftskriminalität betreffen aber das Steuerrecht. Das Steuerstrafrecht ist hauptsächlich in der Abgabenordnung in den §§ 369 ff. Abgabenordnung geregelt, wobei die Steuerhinterziehung gem. § 370 AO und deren Verfolgung das Kernstück des Steuerstrafrechts darstellt. Daneben existieren Steuerordnungswidrigkeiten, wie die leichtfertige Steuerverkürzung gem. § 378 AO und die Verletzung der Aufsichtspflicht in Betrieben und Unternehmen gem. § 130 OWiG. Da die leichtfertige Steuerverkürzung im objektiven Bereich grundsätzlich identisch mit der nach
§ 370 AO strafbaren Steuerhinterziehung ist, bedeutet dies häufig, dass bei fehlendem Vorsatz für eine Steuerhinterziehung, der Tatbestand der leichtfertigen Steuerverkürzung gem. § 378 AO ein Auffangtatbestand gegenüber der Steuerhinterziehung darstellt (vergl. BGH vom 13.01.1988, Az. 3 StR 450/87, wistra 1988, Seite196). Danach stehen der Tatbestand der Steuerhinterziehung gem.
§ 370 AO und der der leichtfertigen Steuerverkürzung in einem Stufenverhältnis zueinanderstehen.

Neben der einfachen Steuerverkürzung sind die besonders schweren Fälle gem. § 370 Abs. 3 AO zu beachten, welche ein erhöhtes Strafmaß von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsentzug vorsehen. Unter den Voraussetzungen des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 AO dürfen im Übrigen auch die Telekommunikationen des Beschuldigten überwacht und aufgezeichnet werden, vergl. § 100 a StPO.

Von der Steuerhinterziehung gem. § 370 AO zu unterscheiden, sind rechtlich erlaubte und auch von der Finanzverwaltung missbilligte Steuergestaltungen, wodurch die Steuerzahlung vermindert werden soll. Nach dem Grundsatz der Gestaltungsfreiheit im Steuerrecht, darf jeder Steuerbürger seine Verhältnisse so einrichten, dass er möglichst wenig Steuern bezahlen muss. Hieraus kann ihm dann kein Vorwurf der Steuerhinterziehung gemacht werden, wenn er seine gewählte steuerliche Gestaltung dem Finanzamt zur Beurteilung offenlegt. Nur wenn die Steuergestaltung dem Finanzamt nicht zutreffend oder nicht vollständig erklärt wird, kommt das Delikt der Steuerhinterziehung zum Tragen. Wichtig ist deshalb, dass die gewählte Steuergestaltung, die gewollte Steuervermeidung und Steuerumgehung a priori noch nichts mit dem Steuerstrafrecht zu tun hat. Erst eine Täuschung des Finanzamtes kann dazu führen, dass eine Steuergestaltung zur Steuerhinterziehung führt und i.S.v. § 370 AO strafbar wird.

Nach § 369 AO gelten auch für die Steuerstraftaten die allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren, soweit die Strafnormen der Steuergesetze nichts anderes bestimmen. Der Tatbestand der Steuerhinterziehung gem. § 370 AO ist eine sog. Blankettvorschrift, welche zur Ausfüllung der Norm durch die materiellen und formellen Vorschriften des Steuerrechts, insbesondere im Bereich des Umsatzsteuerrechts auch durch EU-Recht und EuGH-Rechtsprechung ausgefüllt wird. Geschütztes Rechtsgut ist das Interesse des Fiskus am rechtzeitigen und vollständigen Steueraufkommen.

Daraus folgt auch, dass bereits die Steuerhinterziehung auf Zeit gem. § 370 Abs. 4 Satz 1 AO strafbar ist.

Die Tatbestandsverwirklichung ist sowohl durch Handeln als auch durch Unterlassen möglich. Auch der Versuch ist gem. § 370 Abs. 2 AO strafbar. Eine Steuerverkürzung liegt jedoch nach der Legaldefinition des § 370 Abs. 4 Satz 1 namentlich immer dann vor, wenn die Steuer nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt wird. D. h. aufgrund der Handlungen oder Unterlassungen des Beschuldigten sind Steuern nicht, zu niedrig oder zu spät festgesetzt worden und daraufhin auch nicht, zu wenig oder zu spät gezahlt worden.
Der Taterfolg der Steuerhinterziehung gem. § 370 AO tritt aber auch schon ein, wenn Beschuldigte nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt haben, etwa durch eine ungerechtfertigte Stundung gem. § 222 AO oder durch einen Erlass von Steuern gem. § 227 AO. Immer dann, wenn der Steuerpflichtige einen Steuervorteil erzielt, der bei zutreffender Mitteilung des Sachverhalts nicht gewährt worden wäre, greift der Vorwurf des Steuerstrafrechts ein.

Bei einer Beteiligung an einer Steuerhinterziehung durch Dritte, § 370 AO, § 26f. StGB,  ist zu prüfen, ob tatsächlich Täterschaft (Allein – Mit – Mittelbare Täterschaft) oder nicht nur Anstiftung oder Beihilfe zur Steuerhinterziehung eines anderen in Betracht kommt.

Die Rechtsfolgen einer Steuerhinterziehung sind nach § 370 Abs. 1 AO Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. In besonders schweren Fällen von Steuerhinterziehung beträgt die Freiheitsstrafe sogar sechs Monate bis zehn Jahre.

Neben den allgemeinen Strafzumessungsgründen für die Höhe der Strafe ist vor allem auch die Höhe der verkürzten Steuer von Bedeutung. Wenn auch in Steuerhinterziehungsfällen die Verhängung von Freiheitsstrafe die Ausnahme bildet und Geldstrafe die Regel ist, hat der Bundesgerichtshof mit seinem Urteil vom 02.12.2008 (Aktenzeichen BGH 1 StR 416/08 vom 02.12.2008) betont, dass bei einem sechsstelligen Hinterziehungsbetrag die Verhängung einer Geldstrafe nur bei Vorliegen von gewichtigen Milderungsgründen noch schuldangemessen sein wird. Bei Hinterziehungsbeträgen in Millionenhöhe kommt nach Auffassung des BGH eine aussetzungsfähige Freiheitsstrafe nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe noch in Betracht.