Enthält das Urteil eines Richters insoweit einen Darlegungsmangel, als eine Lücke in der Darstellung der Berechnung der Mehrumsätze und darauf aufbauend der jeweiligen Hinterziehungsbeträge besteht, ist das Urteil fehlerhaft und nach BGH-Urteil vom 28.07.2010 (Az.: 1 StR 643/09 – Landgericht Stuttgart) insoweit aufzuheben.

In dem vorliegenden Fall hatte die Strafkammer des Landgerichts Stuttgart die Umsätze der einzelnen Jahre pauschal schätzen müssen, nach dem der Versuch, eine möglichst konkrete Schätzung zu ermitteln, fehlgeschlagen war. Die Angeklagte betrieb in Ludwigsburg in zentraler Lage zwei gastronomische Betriebe (Döner-Läden). Festgestellt wurde, dass die bei einem Fleischgroßhändler über die Lieferung ausgestellten Rechnungen zutreffend gewesen sind. Die als bezogen ausgewiesene Gesamtmenge hat jedoch nicht dem Absatz entsprochen. Die Angeklagte machte geltend, dass durch Fett-und Wasserverlust ein Schwund von mindestens 40 % eingetreten sei. Auch hätten die Spieße ein geringes Gewicht gehabt, als auf den Etiketten angegeben gewesen sind. Daneben seien viele Kilos unverkäuflicher Kruste und Reste an den Spießen weggeworfen worden, da diese nicht verwertbar gewesen sind. Zudem hatte die Angeklagte geltend gemacht, dass ein hoher Eigenverbrauch vorgelegen hätte, weil für die Familie und die Schulfreunde ihrer Kinder Essen ausgegeben worden sind. Zudem sei einem türkischen Kulturvereinen täglich 7,5 bis 10 kg gegartes Dönerfleisch geschenkt worden.
Die Ermittlungsbehörden haben jedoch festgestellt, dass schon während der entsprechenden Steuerveranlagungsjahre Vermögen angesammelt worden sind, die darauf schließen ließen, das erhöhte Umsätze getätigt worden sind. Da jedoch Buchhaltungsunterlagen, aufgrund derer die Umsatzangaben in den vom Steuerberater gefertigten Einnahmen-Überschussrechnungen und Bilanzen hätten überprüft werden können, gefehlt haben, war die Strafkammer des Landgerichts Stuttgart bei der Berechnung der tatsächlichen Umsätze auf Schätzungen angewiesen. Einzige objektive Berechnungsgrundlage war die beim Fleischlieferanten der Angeklagten erhobenen Rechnungen.
Der Bundesgerichtshof hat nochmals deutlich gemacht, dass eine Lücke in der Darstellung der Berechnung der Mehrumsätze und darauf aufbauend der jeweiligen Hinterziehungsbeträge zur Aufhebung des Schuldspruchs und in der Folge des Strafausspruchs führt.
Danach sei das Landgericht zwar in zulässigerweise von einem Rohgewinnaufschlag von 190 % auf die in den Einnahmen-Überschussrechnungen bzw. Bilanzen enthaltenen Wareneinsatzbeträge ausgegangen, da in diesem Fall eine konkretere Schätzung mangels ausreichend verlässlicher Tatsachengrundlage unmöglich gewesen ist. Denn auch im Steuerstrafverfahren ist die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen zulässig, wenn zwar feststeht, dass der Steuerpflichtige einen Besteuerungstatbestand erfüllt hat, das Ausmaß der verwirklichten Besteuerungsgrundlagen aber ungewiss ist. Dies gilt nach Auffassung des BGH auch und gerade dann, wenn Belege nicht mehr vorhanden sind. Die fehlende Buchhaltung befreit nicht von strafrechtlicher Verantwortung. Dies habe aber auch zu gelten, wenn keine handelsrechtliche Buchführungspflicht besteht. Zudem seien hiervon besondere steuerrechtliche Aufzeichnungspflichten unberührt geblieben. Nochmals wurde vom BGH bestätigt, dass zur Durchführung der Schätzungen auch die im Besteuerungsverfahren anerkannten Schätzungsmethoden einschließlich der Heranziehung der Richtsatzsammlung des Bundesministeriums der Finanzen zur Anwendungen kommen dürfen (vgl. BGH, Beschluss vom 24.05.2007, Az.: 5 StR 58/07).
Der Tatrichter müsse dann aber in den Urteilsgründen für das Revisionsgericht nachvollziehbar darlegen, wie er zu den Schätzungsergebnissen gelangt ist. Im vorliegenden Fall wurden zwar durch das Landgericht Stuttgart die Mehrumsätze und die insoweit verkürzte Umsatzsteuer pro Jahr angegeben. Jedoch enthielten die Gründe weder die aus den Gewinn- und Verlustrechnungen bzw. Bilanzen entnommenen Wareneinsatzbeträge noch die daraus auf dem dargestellten Weg errechneten Gesamtumsätze. Es fehlte auch in dem Urteil des Landgerichts Stuttgart der Inhalt der jeweils abgegebenen Steuererklärung und damit ein überprüfbarer Vergleich zwischen Ist-Steuer und Soll-Steuer.