Verschärfung der Voraussetzungen zur Erreichung der Straffreiheit im Wege der Selbstanzeige

Nun ist es soweit. Das sogenannte Schwarzgeldbekämpfungsgesetz ist am 03.05.2011 in Kraft getreten. Das Gesetz regelt unter anderem die Voraussetzungen für die Erlangung der Straffreiheit im Wege der steuerlichen Selbstanzeige neu. Zwar hat der Gesetzgeber die Möglichkeit eine Amnestie durch Abgabe einer wirksamen Selbstanzeige nicht gänzlich abgeschafft, jedoch die Anforderungen an die neue Selbstanzeige sind deutlich gestiegen.

Hier ein kleiner, komprimierter Überblick über die Anforderung an die neue Selbstanzeige:

1. Sachlicher Umfang

Gem. § 371 Abs. 1 AO n.F. hat der Steuerhinterzieher künftig sämtliche unverjährte Steuerstraftaten einer Steuerart (z.B. Einkommenssteuer) in vollem Umfang zu berichtigen, ergänzen oder nachzuholen und sämtliche noch unverjährten Einkommenssteuerhinterziehungen offen zu legen, um überhaupt eine wirksame Selbstanzeige für diese Steuerart (z.B. Einkommenssteuer) zu erreichen.

Für den Fall einer nicht vollständigen Erklärung in dieser Steuerart, geht das Gesetz folglich von einer unwirksamen Teilselbstanzeige aus, so dass sämtliche unverjährten Steuerhinterziehungen in dieser Sparte (z.B. Einkommenssteuer) strafrechtlich verfolgbar bleiben, unabhängig davon, ob mit einer Selbstanzeige alle Einkünfte offenbart worden sind oder nicht.

Künftig wird also entscheidend sein, innerhalb welcher Steuerart und innerhalb welchen strafrechtlichen Verjährungszeitraums der Steuerpflichtige seine Selbstanzeige abgibt, um die Wirksamkeit und damit die Erlangung von Straffreiheit bei Erfüllung sämtlicher weiterer Voraussetzung der Selbstanzeige (z.B. Nachzahlungen der hinterzogenen Steuer innerhalb einer Frist) beurteilen zu können.

2. Zeitlicher Umfang

Künftig wird für die jeweilige zu offenbarende Steuerhinterziehung maßgebend sein, ob die fünfjährige Regelverjährungsfrist des § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB oder die verlängerte Verfolgungsverjährungsfrist nach § 376 Abs. 1 AO von 10 Jahren bei besonders schwerer Steuerhinterziehung gilt.

3. Unbewusst unvollständig abgegebene Teilselbstanzeige

Auch eine unbewusst unvollständige Teilselbstanzeige wird zukünftig nicht strafbefreiend wirken. Hier hat der Gesetzgeber nicht differenziert, ob ein Anzeigender seine Teilselbstanzeige bewusst oder ohne Kenntnis nur in Teilen erklärt hat.

4. Leichte Abweichungen der Selbstanzeige unbeachtlich

In der steuerrechtlichen Literatur (vgl. Rolletschke/Roth in Steuerberatung, Seite 201) wird darauf verwiesen, dass aufgrund des Gesetzeswortlautes im Schwarzgeldbekämpfungsgesetz und in der Gesetzesbegründung davon ausgegangen werden kann, dass die bisherige Kulanzspanne bei geringfügigen Abweichungen des nacherklärten vom tatsächlichen hinterzogenen Betrages in einer Größenordnung von bis zu 6% (Rechtsprechung) bzw. bis zu 10% (Literatur) eine vollumfängliche Strafaufhebung eintritt. Da jedoch auch die Gesetzesmaterialen keine Angaben zur Höhe der noch zulässigen Abweichungen vorsehen, ist allerdings Vorsicht geboten.

Die Toleranz bezieht sich im Übrigen auf die Besteuerungsgrundlagen, nicht auf die hinterzogenen Steuern.

Insgesamt wird eine Höchstgrenze von € 1.500,00 verkürzter Steuern gezogen. Die jedoch nach dem Vorsichtigkeitsprinzip dazu führen muss, dass der Berater Sicherheitszuschläge bei der Abgabe der Selbstanzeige einrechnet, die später nach unten korrigiert werden können.

5. Erweiterung der Sperrgründe

Streitig ist derzeit, da aufgrund der neuen Gesetzeslage noch keine Rechtsprechung diesbezüglich vorliegt, ob die Erweiterung der Sperrgründe für eine strafbefreiende Selbstanzeige für die gesamte Steuerart oder auf die einzelne Tat (z.B. Einkommenssteuer 2008) bezogen werden.

Erscheint der Betriebsprüfer zur steuerlichen Außenprüfung etwa der Umsatzsteuer für die Jahre 2009 bis 2011, wird künftig auch von einem Sperrgrund bezüglich der nicht verjährten Umsatzsteuerzeiträume für die Jahre 2006, 2007 und 2008 auszugehen sein, soweit die fünfjährige Regelverjährungsfrist des § 78 StGB gilt.

6. Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung als neuer Sperrgrund für die Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige

Der Gesetzgeber hat in § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO bereits die Bekanntgabe einer durch die Betriebsprüfungsstelle bekanntgegebene Prüfungsanordnung gem. § 196 AO als Sperrtatbestand für die Abgabe einer wirksamen Selbstanzeige vorgesehen.

Hieraus ergibt sich, dass nicht erst das Erscheinen des Betriebsprüfers beim Steuerpflichtigen, sondern bereits die Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung die Selbstanzeige sperrt. Es ist bereits zu erwarten, dass hier besonders die Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung strittig wird, wenn der Empfang der mit einfachen Brief versandten Prüfungsanordnung nicht nachgewiesen werden kann. Die Finanzverwaltung wird vermutlich deshalb vermehrt dazu übergehen, die Prüfungsanordnungen mit Postzustellungsurkunde nachweisbar zu machen. Damit wäre der Zeitpunkt der Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung zwingend festgestellt.

7. Teilzahlungen nach § 371 Abs. 3 AO

Die Abgabe einer Selbstanzeige hat bislang nach § 371 Abs. 3 AO schon vorausgesetzt, dass Straffreiheit nur insoweit eintritt, wenn der Täter die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern innerhalb einer ihn bestimmten angemessenen Frist entrichtet.

Fraglich ist nach neuerem Gesetzesverständnis, ob Teilzahlungen auf die hinterzogenen Steuern, insoweit Straffreiheit gewähren. Voraussetzung wäre demnach aber in jedem Fall, dass eine vollständige Selbstanzeige zunächst wirksam abgegeben wird, die dann jedoch nicht zu 100% durch Entrichtung der hinterzogenen Steuern wieder gut gemacht werden kann. Damit würde durch die Hintertür eine Teilselbstanzeige doch wieder Wirksamkeit erlangen können. Dem Gesetzesverständnis dürfte weiterhin auch derjenige insoweit Straffreiheit hinsichtlich von ihnen begangener Steuerstraftaten erlangen, soweit die hinterzogenen Steuern nachentrichtet worden sind. D.h. es tritt Straffreiheit in Höhe der entrichteten Beträge ein.

8. Absehen von der Verfolgung einer Steuerstraftat bei Hinterziehungen über € 50.000,00

Gänzlich neu ist die Einführung einer Einstellungsmöglichkeit von Steuerstraftaten ab einem Hinterziehungsbetrag von € 50.000,00. Künftig ist danach in Fällen, in denen Straffreiheit nur deswegen nicht eintritt, weil der Hinterziehungsbetrag € 50.000,00 übersteigt, nur dann von einer Verfolgung einer Steuerstraftat abzusehen, wenn der Täter innerhalb einer ihn bestimmten angemessenen Frist,

1. die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern entrichtet und
2. einen Geldbetrag in Höhe von 5% der hinterzogenen Steuer zu Gunsten der Staatskasse zahlt.

Eine Bagatellkulanzüberschreitung ist gesetzlich nicht vorgesehen, so dass auch kleinere Überschreitungen des Hinterziehungsbetrages von € 50.000,00 zur Notwendigkeit der Zahlung eines Zuschlags in Höhe von 5% führen.

Wenn also der Täter künftig Straffreiheit hinsichtlich hinterzogener Steuervorteile, die über einen Betrag von € 50.000,00 hinausgehen, erreichen will, und sonst kein anderer Sperrgrund zur Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige vorliegt, hat er zudem nach § 398a AO den hinterzogenen Betrag zzgl. des Zuschlags in Höhe von 5% der hinterzogenen Steuern zu Gunsten der Staatskasse zu zahlen.

9. Berechnung des Zuschlags

Nach § 398a Nr. 2 AO ist auf die hinterzogene Steuer, bezogen auf die jeweilige Steuerart und den jeweiligen Besteuerungszeitraum abzustellen.

Der 5%-ige Zuschlag wird demnach auf die gesamte hinterzogene Steuer und nicht nur auf den Betrag der hinterzogenen Steuern, der € 50.000,00 übersteigt, zu berechnen sein.

Schwierigkeiten werden sich künftig in Bezug auf das Kompensationsverbot gem. § 370 Abs. 4 Satz 3 AO ergeben, soweit Steuerminderungsbeträge unter das Kompensationsverbot fallen und demnach die Höhe der hinterzogenen Steuer strittig ist.

Wird weder die hinterzogene Steuer noch die dazugehörigen Zuschlagszahlungen erbracht werden können, wird insoweit Straffreiheit gewährt, wie Steuern hinterzogen und die Zuschlagszahlungen erbracht worden sind. Für den nicht wieder gut gemachten Hinterziehungsbetrag werden unvollständige Zahlungen allein im Rahmen der Strafzumessung gem. § 46 Abs. 2 StGB jedoch Berücksichtigung finden müssen.

10. Abzugsfähigkeit des gezahlten Zuschlags zur Erlangung der Strafbefreiung

Ob der gezahlte Zuschlag i.S.d. § 398a Nr. 2 AO, der dem § 153a StPO nachempfunden ist, steuerlich abzugsfähig ist, ist nach dem derzeitigen Stand noch nicht zweifelsfrei zu beantworten. In der Literatur (vgl. Rolletschke/Roth a.a.O.) finden sich zur Abzugsfähigkeit für beide Ansichten Argumente.

Im Ergebnis überzeugen jedoch die Argumente, die sich für eine steuerliche Abzugsfähigkeit aussprechen, da es sich bei dem Zuschlag nicht um eine Strafe, sondern um eine freiwillige Leistung zur Erlangung einer Verfahrenseinstellung handelt und somit § 12 Nr. 3 EStG als Abzugsverbot für steuerliche Nebenleistungen nicht anwendbar ist.

11. Strafklageverbrauch durch § 398a AO

Die oben genannten Verfasser diskutieren auch, ob durch die Zahlung des Zuschlages und infolge dessen mit der Verfahrenseinstellung ein echter Strafklageverbrauch eintritt, so dass auch nachträglich neue Tatsachen nicht wieder zu einer Wiederaufnahme des Strafverfahrens gegen den Täter führen können.

Hier wird jedoch darauf verwiesen, dass eine in § 153a Abs. 1 Satz 5 StPO vorhandene Klausel, wonach ein eingeschränkter Strafklageverbrauch bei Auflagenerfüllung besteht, gerade im Hinblick auf § 398a AO nicht normiert worden ist.

12. Bislang wirksam abgegebene Teilselbstanzeigen bleiben gültig

Der Gesetzgeber hat mit § 24 EGAO eine Vertrauensschutzregelung für diejenigen Selbstanzeigen, die nach der Gesetzesänderung nunmehr als unwirksame Teilselbstanzeigen anzusehen sind, aber bis zum 28.04.2011 bei der zuständigen Finanzbehörde eingegangen sind, geschaffen.

Im Ergebnis bleiben also auch sogenannte Altselbstanzeigen wirksam und vermitteln weiterhin Strafbefreiung.