Kassenaufsteller haftet für hinterzogene Steuern des Betriebs im Fall mitgelieferter Manipulationssoftware

Mit Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz (vgl. Beschluss vom 07.01.2015, Az. 5 V 2068/14) wurde ein Geschäftsführer einer Gesellschaft, die Kassensysteme herstellt und vertreibt, zur persönlich Haftung für die durch einen Gastronom hinterzogenen Steuern verurteilt.

Der Kassensystemhersteller hatte einem Eiscafébetrieb neben der Hardware ein Programm auf einem mitgelieferten Daten-USB-Stick geliefert, mit dem Manipulationen an den mit dem Kassensystem erfassten Umsätzen ermöglicht wurden. Dieses Programm wurde zur Steuerverkürzung eingesetzt. Die Manipulationssoftware wurde als Spiel getarnt und ermöglichte dem Verwender, die Kasseneinnahmen prozentual zu kürzen.

Der Verkürzungsumfang von Einkommens- und Umsatzsteuer lag im Millionenbereich.

Da Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Eiscafébetrieb selbst nicht zum Erfolg führten, wurde der Geschäftsführer des Kassensystemherstellers, der auch die als Computerspiel getarnte Manipulationssoftware mitgeliefert hat, persönlich in Anspruch genommen.

In einem Eilverfahren gegen den Haftungsbescheid begehrte der Geschäftsführer, die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise auszusetzen, da ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestanden. Dies lehnte jedoch das Finanzgericht Rheinland-Pfalz deswegen ab, weil eine Steuerhinterziehung zunächst auf der Grundlage eines Geständnisses des steuerpflichtigen Eiscafébetreibers nach § 370 Abs. 1 AO diesem gegenüber in einem Strafurteil festgestellt worden war.

Zu dieser Tat (vgl. § 71 AO) hat der Kassensystemhersteller und -vertreiber objektiv und subjektiv Beihilfe geleistet.

Das Finanzgericht sah es als erwiesen an, dass der Kassensystemlieferant als verantwortlicher Geschäftsführer durch den Verkauf des Kassensystems und der Mitlieferung der Manipulationssoftware ein komplettes System zur Förderung von der Begehung von Steuerhinterziehung verkauft und dadurch die Tat nachhaltig gefördert habe. Der Geschäftsführer des Kassensystemlieferanten hat zudem – nach den Feststellungen des Strafurteils betreffend den Steuerpflichtigen – vor dem Verkauf intensive Verkaufsgespräche geführt und ihm detailliert die Möglichkeiten aufgezeigt, wie die Manipulationssoftware zu bedienen sei und ihn auf die Funktionsweise und den Zweck des verkauften Produktes als völlig risikoloses Instrument zur Steuerverkürzung hingewiesen.

Der Geschäftsführer des Kassensystemhauses konnte hiergegen nicht einwenden, dass das Finanzamt ihm ermessensfehlerhaft als Haftungsschuldner herangezogen hat. Das Finanzgericht gelangte vielmehr zu der Auffassung, dass die Haftung dem Grunde, der Höhe und der Auswahl nach zutreffend durch das Finanzamt festgestellt worden ist. Der Geschäftsführer der Kassensystemfirma habe vorsätzliche Beihilfe zu Steuerhinterziehung geleistet, weshalb er ohne nähere Darlegung der Ermessenserwägung im Haftungsbescheid als Haftungsschuldner gemäß den §§ 191, 71 AO in Betracht kam.

Bei der Betätigung des Auswahl- und Entschließungsermessens ergab sich für das Finanzgericht Rheinland-Pfalz zudem kein Korrekturbedarf wegen der unterschiedlichen Größenordnung der Haftungsschuld (vorliegend Millionenschaden) im Vergleich zu den finanziellen Möglichkeiten des Haftungsschuldners. § 71 AO begründet eine Schadensersatzpflicht grundsätzlich in der Höhe der verkürzten Beträge nach. Wer Beihilfe zu einer Steuerhinterziehung leistet, haftet für die verkürzte Steuer. Weitere Differenzierungen waren nach dem Urteil des Finanzgericht Rheinland-Pfalz nicht angezeigt.

Praxistipp: Eine Beihilfe zur Steuerhinterziehung wird noch nicht durch den Verkauf eines Kassensystems, das auch ohne gesonderte Manipulationssoftware zur Verkürzung von Kassenumsätzen eingesetzt werden kann, begangen, selbst wenn nachträgliche Stornos oder andere Manipulationen, die in der Kassensystemsoftware nicht dokumentiert werden, möglich sind.

Sollte der Kassensystemhersteller oder Kassensystemlieferant den steuerpflichtigen Gastronomen aber besonders auf die Möglichkeit nachträglicher Manipulationen des Kassensystems hinweisen, um Umsatzverkürzungen und damit Steuerhinterziehungen zu ermöglichen, ist der Schritt zu einer strafbaren Beihilfe und damit zu einer persönlichen Inanspruchnahme nicht mehr weit. Jedenfalls bei einem ausdrücklichem Hinweis und im Rahmen von Verkaufsgesprächen herausgestelltem Anreiz, dass das Kassenprodukt mit Hilfe mitgelieferter Software die Manipulation von Kassenumsätzen ermögliche, dürfte jedenfalls die Schwelle zur Beihilfehandlung überschritten sein, da der Verkäufer eines manipulationsfähigen Kassensystems insoweit auch bedingt vorsätzlich hinsichtlich der durch den Steuerpflichtigen auf dieser Grundlage verkürzten Umsatzerfassung handelt.