Das zinslose Darlehen und die darin enthaltene steuerpflichtige Schenkung  

Wer sich Geld leiht, muss Zinsen zahlen. Zumindest, wenn außerhalb von Minuszinsperioden auf konventionellem Weg bei einer Bank ein Darlehen beantragt wird. Wer liquide Mittel von Bekannten, Freunden oder Dritten erhält, umgeht ein Bankdarlehen teilweise sogar ohne Zinsen. Das Finanzgericht Düsseldorf (FG) hat nun entschieden, dass ersparte Zinsen für ein zinsloses Darlehen von Bekannten oder Familie, eine Schenkung darstellen– und versteuert werden müssen. 

Der Sachverhalt 

Vor dem FG geklagt hatte ein erwerbsloser Student. Er erhielt von einem Freund ein Darlehen in Höhe von 110.000 € – ohne Zinsvereinbarung, hinterlegte Sicherheit oder festgelegte Laufzeit. Es dauerte nicht lange, da forderte das Finanzamt (FA) seinen Teil: eine Schenkungssteuererklärung. Dem FA zufolge sei der Zinsvorteil, der dem Studenten durch das freundschaftliche Darlehen gegenüber einem Kredit bei der Bank zukommt, eine Schenkung, die versteuert werden müsse. Die Kalkulation des FA ist klar: Der Darlehensempfänger erspart sich ansonsten anfallende Zinsen, sein Freund kann mit dem verliehenen Geld keinen Zinsertrag erzielen, wird also entreichert. Eine freigebige Zuwendung, da der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird – das Prinzip der Schenkung.  

Die Schätzung des Finanzamtes 

Da am Kapitalmarkt die Zinsen schwanken und je nach Lebenslage unterschiedliche Zinsen auf Kredite vergeben werden, schätzte das Finanzamt den zu versteuernden Vorteil nach § 162 AO. Es richtete sich dabei nach den Maßgaben des Bewertungsgesetzes (BewG). Demzufolge sei gem. § 15 Abs. 1 BewG ein jährlicher Zinsvorteil von 5,5 % anzunehmen, den sich der Student ersparte. Neben den Zinsen musste aufgrund der unbestimmten Laufzeit des Darlehens auch die Laufzeit der Vorteilsnutzung geschätzt werden. Dabei richtete sich das FA nach dem in § 13 Abs. 2 Alt. 2 BewG festgelegten Wert, nach dem eine Leistung von unbestimmter Dauer mit dem 9,3fachen des Jahreswerts zu berechnen sei. Der Student hat der Schätzung des FA zufolge also von seinem Freund Zinsen in Höhe von 5,5% über eine Laufzeit von 9,3 Jahren hinweg geschenkt bekommen. Der steuerpflichtige Schenkungsanteil beläuft sich laut FA somit auf 56.265 € (110.000 € x 5,5% x 9,3), überschreitet also den Freibetrag von 20.000 €.  

Die Entscheidung des Finanzgerichts Düsseldorf  

Obwohl der klagende Student sich mit allerlei Argumenten gegen das Vorgehen des Finanzamtes gewehrt hat, weist das FG die Klage im Großen und Ganzen ab. Er konnte weder hinreichend belegen, dass er einen niedrigeren Zinssatz als 5,5% erzielt hätte, noch seien seine verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber der Zinshöhe begründet. Lediglich ein Fehler sei dem FA unterlaufen: Es hatte die Begrenzung des § 16 BewG nicht beachtet, wonach 5,5% des zugrunde gelegten Wirtschaftsgutes den Wert des Wirtschaftsgutes dividiert durch 18,6 nicht überschreiten darf. Im vorliegenden Falle machen 5,5% von 110.000€ = 6.050 € aus. Allerdings sind 110.000 € dividiert durch 18,6 niedrigere 5.914 €, was den der Schätzung zugrunde gelegten jährlichen Wert auf diesen Betrag beschränkt. Mithin beläuft sich der zu versteuernde Schenkungsanteil im zinslosen Darlehen auf 55.000€ (5.914 x 9,3).  

Konsequenzen für die Praxis  

Wer ein zinsloses Darlehen erhält, sollte immer den darin enthaltenen Anteil jährlich geschenkter Zinsen berechnen. Zur Sicherheit ist ein Wert von 5,5% p.a. anzunehmen. Hierbei ist § 16 BewG zu beachten. Bei einem zeitlich unbegrenzten Darlehen müssen die gesparten Zinsen dann über einen Zeitraum von 9,3 Jahren berechnet werden, sonst über den tatsächlich vereinbarten Zeitraum.  

Es ergibt sich bei geschätzten Zinsen i.H.v. 5,5% p.a. folgende Formel:  

Darlehenshöhe x 5,5 % = X 

Darlehenshöhe / 18,6 = Y 

Wenn X > Y, dann  

Y x Anzahl der Jahre der Darlehensnutzung (im Zweifel 9,3) = zu versteuernder Schenkungsanteil 

Wenn X<Y, dann  

Darlehenshöhe x 5,5% x Anzahl der Jahre der Darlehensnutzung (im Zweifel 9,3) = zu versteuernder Schenkungsanteil 

Wer bei dieser Rechnung über dem einschlägigen Freibetrag landet, sollte den Finanzämtern zuvorkommen und die Schenkung anzeigen und ggfs. eine Schenkungssteuererklärung abgeben. 

Um dabei die geschätzten 5,5% Zinsen zu umgehen, kann nach ernsthafter Recherche ein anderer Zinssatz zugrunde gelegt werden, der bei einem gewöhnlichen Kreditinstitut erzielt worden wäre. Dadurch kann im besten Falle die Schätzung durch das FA und eine erhöhte Steuerzahlung umgangen werden.  

Die Freibeträge richten sich nach der Beziehung zwischen Darlehensnehmer und Darlehensgeber.  

Steuerfrei sind folgende Schenkungen 

bis zu 500.000€ von einem Ehepartner beziehungsweise eingetragenen Lebenspartner 

bis zu 400.000€ von Eltern und Stiefeltern  

bis zu 200.000€ Euro von Großeltern 

bis zu 20.000€ von anderen Familienmitgliedern und Freunden 

 

Michael Olfen, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Straf- und Steuerrecht, ist Gründungspartner der Kanzlei Olfen Meinecke Völger Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB 

Lotta Ann Olfen ist studentische Hilfskraft der Kanzlei Olfen Meinecke Völger