Die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) und die Steuerpflicht ihrer Mitglieder

Handelt ein Mitglied der EWIV, sind die Betriebseinnahmen des Mitglieds ihm selbst steuerlich zuzurechnen, auch wenn alle Forderungen an die EWIV abgetreten wurden.  

 

Die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) ist eine supranationale europäische Rechtsform, die seit 1985 besteht. Durch sie soll Unternehmen und Freiberuflern ermöglicht werden, grenzüberschreitend zu kooperieren und dadurch ihre Ressourcen zu bündeln und Ausgaben zu minimieren. Die EWIV übernimmt dabei eine reine Hilfsfunktion, sie selbst darf keine Gewinnabsichten verfolgen. Demgemäß entfällt in Deutschland die Körperschafts- und Gewerbeertragssteuer auf die Vermögenswerte der EWIV, was sie als attraktives Steuersparmodell erscheinen lässt.  

Hier ist jedoch Vorsicht geboten, wie ein Beschluss des FG Berlin–Brandenburg (FG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 19.8.2022 – 10 V 10194/21) zeigt.  

Anlass war ein Antrag einer GmbH, welche als Mitglied einer EWIV alle Ansprüche im Zuge einer Globalzession, § 398 ff. BGB, auf die EWIV übertragen hatte. Die GmbH ging davon aus, dass durch eben diese Abtretung jegliche Gewinne aus den abgetretenen Forderungen nicht bei ihr, sondern bei der EWIV zu verorten und somit nicht von der GmbH zu versteuern sein.  

Dem widersprach das FG Berlin-Brandenburg. Es führt insbesondere das Transparenzprinzip des Art. 40 EWIV-VO an, wonach Betriebseinnahmen und –ausgaben der Mitglieder einer EWIV von ihnen selbst nach den Vorgaben des nationalen Steuerrechts zu versteuern sind.  

Die Erlöse aus den von der GmbH gestellten Ausgangsrechnungen seien in dem Zeitpunkt realisiert, in dem die jeweilige Sach- oder Dienstleistung erbracht wurde und somit der GmbH zuzuordnen. Dass die Rechnungsbeträge aufgrund der Globalzession lediglich von der EWIV eingezogen werden dürfen, ändere nichts daran, dass die Gewinnerzielung nicht durch die EWIV, sondern durch die GmbH erfolgte. Wie letztere mit der Realisierung der Erlöse verfahre, sei lediglich Gewinnverwendung, nicht jedoch Gewinnerzielung. Folglich sei das gewinnorientierte Handeln der GmbH zuzurechnen, was auch die Forderungsinhaberschaft der EWIV nicht negiere.  

Die Vorstellung der GmbH, sie könne all ihre Erträge steuerlich der EWIV zuordnen und dadurch Steuern sparen, hat sich somit nicht bewahrheitet. Viel mehr stellt der Beschluss des FG Berlin-Brandenburg klar, dass die Zurechnung von Betriebseinnahmen nicht lediglich von der Forderungsinhaberstellung abhängt. Stattdessen scheint es dem FG zufolge darauf anzukommen, an welcher Stelle die Einnahmen generiert werden. Handele hier ein Mitglied der EWIV selbst, so seien ihm diese Betriebseinnahmen steuerlich zuzurechnen.  

 

Gegen den Beschluss des FG Berlin-Brandenburg ist unter dem Az. BFH: XI B 87/22 (AdV) beim BFH Beschwerde eingelegt.  

 

Michael Olfen, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Straf- und Steuerrecht, ist Gründungspartner der Kanzlei Olfen Meinecke Völger Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB 

Lotta Ann Olfen ist studentische Hilfskraft der Kanzlei Olfen Meinecke Völger

 

Sind Gewinne aus der Veräußerung von Kryptowährungen steuerpflichtig?

Nach einem Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH, Urt. v. 14.2.2023 – IX R 3/22, DStR 2023, 435) stellen Gewinne aus der Veräußerung von Kryptowährungen (“Currency Tokens”) sonstigen Einkünfte dar. Die Currency Tokens (hier: Bitcoin, Ether und Monero) hat das Gericht als “andere Wirtschaftsgüter” iSd § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG angesehen.  

 

Der Einkommensteuer unterliegen nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG unter anderem Einkünfte aus selbstständiger Arbeit, nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 EStG aus nichtselbständiger Arbeit und gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 EStG Einkünfte aus Kapitalvermögen. Laut § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EStG sind auch sonstige Einkünfte i.S.d. § 22 EStG einkommensteuerpflichtig.  

Strittig war zum einen die Rechtsnatur der Tokens als “Wirtschaftsgüter” und zum anderen die Eigentümerstellung und die daraus resultierende Zurechnung der Gewinne an den Steuerpflichtigen. 

 

  1. Der Begriff des “Wirtschaftsguts” in § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG umfasst nicht nur Sachen und Rechte des bürgerlichen Rechts, sondern auch tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten und Vermögenswerte sowie Vorteile aller Art, denen nach der Verkehrsanschauung ein Geldwert zugesprochen wird. Kryptowährungen in Form einer “Kette von digitalen Signaturen” fallen zwar nicht unter den zivilrechtlichen Begriff des Geldes, seien wirtschaftlich betrachtet jedoch als Zahlungsmittel anzusehen. Sie können an dafür vorgesehenen “Märkten” gehandelt werden, an denen alle Beteiligten den Tokens einen greifbaren Wert zumessen. Zwar ist die jeweilige Durchsetzung und Durchführung der Geschäfte an diesen Märkten nicht gesichert und auch die randomisierte Zusammensetzung der Tokens aus digitalen Signaturketten führe nicht dazu, dass sie mit einem nicht steuerbaren Lottogewinn zu vergleichen seien. Vielmehr habe der einzelne Händler ein Token-Portfolio, von welchem verselbstständigte Untereinheiten der jeweiligen Währungen losgelöst und auf einschlägigen Plattformen gehandelt werden können, wobei für sie ein Entgelt für die Übertragung erzielt werden kann. Dementsprechend sei ihnen ein messbarer Wert sowie eine Verkehrsfähigkeit zuzusprechen, was zu einer strukturellen Vergleichbarkeit mit Fremdwährungen führe, welche bereits als “Wirtschaftsgüter“ i.S.d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG angesehen werden (Wie genau Währungsgewinne steuerlich einzuordnen sind, steht aktuell zur Diskussion. Dass dies Auswirkungen auf die Bewertung von Kryptowährungen hat, ist jedoch nicht zu erwarten. So hatte das Bundesministerium der Finanzen in einer Stellungnahme im Rahmen des Verfahrens, welches zu dem Urteil führte, das diesem Artikel zugrunde liegt, ausdrücklich die Qualität als Wirtschaftsgut herausgestellt und somit nicht auf die Einordnung als Kapitalerträge schließen lassen).
  2. Eigentümer, und somit potentiell steuerpflichtig, eines Wirtschaftsguts ist nach § 38 Abs. 1 AO nicht nur, wer nach zivilrechtlichen Grundsätzen als solcher anzusehen ist, sondern auch wem die faktische Berechtigung daran zukommt. Dementsprechend ist die Eigentümerstellung beim Erwerber des “private key” zu verorten, welcher mithilfe dieses Zugangs die Transaktionen von Tokens durchführen kann. Wechselt diese Eigentümerstellung und wird dafür eine Gegenleistung in Form einer anderen (virtuellen) Währung erworben, so liegt ein Veräußerungsgeschäft vor. 
  3. Durch die Verkehrsfähigkeit, die Werthaltigkeit sowie die Zurechenbarkeit der Currency Tokens ist ein Tausch dieser untereinander sowie eine Veräußerung gegen eine staatliche Währung ein Geschäft mit einem “Wirtschaftsgut” i.S.d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG, sodass es den Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäfts erfüllt und als Fall der sonstigen Einkünfte nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 i.V.m. § 22 Nr. 2 EStG der Einkommensteuer unterliegt.  

 

Das bedeutet, dass alle Gewinne, die aus der Veräußerung und dem Tauschen dieser digitalen Währungen untereinander (also auch Bitcoin gegen Ether oä.), generiert werden, einer Besteuerung nach dem jeweiligen Einkommensteuersatz unterliegen. Dies kann nur vermieden werden, wenn zwischen Anschaffung und Veräußerung über ein Jahr liegt, § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG. Da dies beim spekulativen Handeln mit Kryptowährungen selten der Fall ist, dürfen solche Einkünfte bei der Steuererklärung nicht außen vorgelassen werden.  

Wer über einen langen Zeitraum stetig in Currency Tokens investiert und diese als Kapitalanlage hält, sollte eine nachvollziehbare Übersicht erstellen, aus der ersichtlich wird, zu welchem Zeitpunkt wie viele digital bzw. electronical coins oder andere Tokens erworben wurden. Dadurch kann eine Einkommensbesteuerung der Anteile, deren Erwerb bei Gewinnrealisierung über ein Jahr zurück liegt, verhindert werden.  

 

Sprechen Sie uns gerne an, wenn wir Ihnen Unterstützung bieten können. 

 

Michael Olfen, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Straf- und Steuerrecht, ist Gründungspartner der Kanzlei Olfen Meinecke Völger Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB 

Lotta Ann Olfen ist studentische Hilfskraft der Kanzlei Olfen Meinecke Völger

Besteuerung des auf zeitweise vermietete Räume entfallenden Veräußerungsgewinns

Wer plant, seine Immobilie zu veräußern und dabei von der Steuererleichterung für den Verkauf von zu eigenen Wohnzwecken genutzten Grundstücken zu profitieren, muss sich vor einer Vermietung einzelner Zimmer an Dritte hüten. Dies erlangt insbesondere Bedeutung für Vermieter*innen, die die online Vermietungsplattform Airbnb für die Vermietung nutzen.

Der Bundesfinanzhof hat in einem Urteil vom 19. Juli 2022 klargestellt, dass ein Teil des Veräußerungsgewinns aus dem Verkauf eines zu eigenen Wohnzwecken genutzten Reihenhauses versteuert werden muss, wenn einzelne Zimmer unter Ausschluss der Eigennutzung anderen Gästen zur Verfügung gestellt werden.

Zu entscheiden war der Fall eines Ehepaars, welches in ihrem privat genutzten Reihenhaus zwei Zimmer im Dachgeschoss tageweise an Messegäste vermietete. Die Mieter*innen wurde zudem ein Badezimmer zur gemeinsamen Benutzung mit den Hausbewohner*innen zur Verfügung gestellt. In Zeiten, in denen sich keine Messegäste in den Zimmern befanden, wurden diese von der Familie als Kinderzimmer genutzt.

Als das Ehepaar die Immobilie veräußerte, forderte das Finanzamt von ihnen eine Steuerzahlung aus einem privaten Veräußerungsgeschäft gemäß § 22 Nr. 2 EStG i.V.m. § 23 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG.

Dabei unterwarf es den Anteil des Veräußerungsgewinns der Besteuerung, welcher im Verhältnis zu der Fläche des Wohnobjekts stand, die auf das Dachgeschoss fiel. In diesem befanden sich die beiden zeitweise zur Alleinnutzung vermieteten Zimmer, der zur Mitbenutzung vermietete Flur sowie das mitbenutzte Bad.

Dem Finanzamt zufolge fände auf diesen Teil des Wohnhauses die Ausnahme der Veräußerungssteuer für zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wirtschaftsgüter gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG keine Anwendung, da er nicht ausschließlich dem eigenen Wohnen gedient habe.

Dieser Ansicht des Finanzamtes gibt der Bundesfinanzhof nur teilweise Recht.

Der Bundesfinanzhof stellt in seinem Urteil zunächst klar, wann das Tatbestandsmerkmal der „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ grundsätzlich erfüllt sei.

Ausschlaggebend ist zunächst die Abgrenzung der Eigen- und der Fremdnutzung.

Wenn ein Wohnobjekt von den Steuerpflichtigen selbst bewohnt ist, sei eine Mitbenutzung von Dritten unschädlich für die Eigennutzung zu Wohnzwecken i.S.d. § 23 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG.

Wenn das Objekt oder einzelne Zimmer zu eigenen Zwecken, jedoch nicht zu Wohnzwecken genutzt werden, sei auch eine geringfügige wohnliche Nutzung bereits ausreichend.

Insbesondere Arbeitszimmer seien nicht von der Nutzung zu Wohnzwecken ausgenommen, solange sie auch für diese zur Verfügung stehen. Auch das lediglich zeitweise bewohnen und Nutzen eines Wohnobjekts würde nicht schaden, sodass auch Zweitwohnungen von der Privilegierung erfasst würden.

Etwas anderes ergebe sich, sobald Wohnraum entgeltlich oder unentgeltlich anderen überlassen und dabei die eigene Nutzung eingestellt, bzw. ausgeschlossen wird.

Zur Vermietung bestimmte Ferienwohnungen würden demnach ausdrücklich nicht „zu eigenen Wohnzwecken“ genutzt und würden nicht den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG erfüllen, selbst wenn sie auch teilweise selbst genutzt werden, in der restlichen Zeit jedoch ausschließlich anderen zur Verfügung stehen.

Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs im vorliegenden Fall ist deshalb beachtlich, weil die Abgrenzung der Eigen- und Fremdnutzung innerhalb eines einheitlichen Objekts zu beachten war und inwiefern sich die Fremdnutzung einzelner Zimmer auf die Einordnung des gesamten Objekts auswirkt.

Während das Finanzamt alle Räume, die auch den Mieter*innen zur Verfügung standen, der Besteuerung unterwerfen wollte, entschied der Bundesfinanzhof anders.

Es sei richtig, dass die Räume, die die Mieter*innen für die Zeit des Mietverhältnisses ausschließlich selbst nutzten, nicht unter die Privilegierung der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken des § 23 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG fallen. Dies vermöge auch die Nutzung als Kinderzimmer in der Zwischenzeit nicht zu ändern. Ausschlaggebend für die Abgrenzung der Eigen- und der Fremdnutzung sei die zeitlich durchgängige Möglichkeit der Eigennutzung, welche durch das Vermieten an Dritte ausgeschlossen werde und demnach nicht den Tatbestand der „Eigennutzung zu Wohnzwecken“ erfülle.

Anderes gelte aber für den Flur sowie das Badezimmer, welche dauerhaft auch von der Familie selbst genutzt wurden. Für diese sei die Drittbenutzung durch die Messebesucher*innen unschädlich, sodass diese nicht der Besteuerung unterliegen würden.

Das Verhältnis, in welchem der Veräußerungsgewinn zu versteuern ist, richte sich nach dem Verhältnis der Fläche zu eigenen Wohnzwecken und der Fläche, welche zu fremden Wohnzwecken zur Verfügung gestellt wurde. Dabei sei die zugehörigen Nutzflächen außer Acht zu lassen, da die Norm lediglich die Nutzung zu Wohnzwecke privilegiere.


Das Urteil enthält mithin folgende Feststellungen, die Wohnraumeigentümer*innen bedenken sollten:

 

1. Die Vermietung von einzelnen Zimmern an Dritte hat bedeutende Auswirkungen auf die steuerliche Einordnung des Immobilienverkaufs. So gilt dieser dann als zu versteuerndes privates Veräußerungsgeschäft, wenn die Vermietung einen Ausschluss der Eigennutzung bedeutete.

2. Eine Nutzung, die nicht hauptsächlich Wohnzwecken dient, ist unschädlich, solange diese zumindest geringfügig wohnlich genutzt wird. Ausschlaggebend ist der Ausschluss der eigenen Nutzung zu Wohnzwecken durch eine mit dem Wohnen nicht zu vereinbarende andere Nutzung oder eine Nutzung durch Dritte, welche die Steuerpflichtigen für den Nutzungszeitraum von der Eigennutzung ausschließt.

3. Der Anteil des Verkaufsgewinnes, welcher zu versteuern ist, richtet sich nach dem Teil, welcher auf die fremdgenutzten Flächen entfällt, nicht jedoch auf den gesamten Veräußerungsgewinn. Allerdings ist beim Ermitteln des Anteils nur die Wohn-, nicht jedoch die zusätzliche ausschließliche Nutzfläche heranzuziehen.

 

Michael Olfen, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Straf- und Steuerrecht, ist Gründungspartner der Kanzlei Olfen Meinecke Völger Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB 

Lotta Ann Olfen ist studentische Hilfskraft der Kanzlei Olfen Meinecke Völger

Das zinslose Darlehen und die darin enthaltene steuerpflichtige Schenkung  

Wer sich Geld leiht, muss Zinsen zahlen. Zumindest, wenn außerhalb von Minuszinsperioden auf konventionellem Weg bei einer Bank ein Darlehen beantragt wird. Wer liquide Mittel von Bekannten, Freunden oder Dritten erhält, umgeht ein Bankdarlehen teilweise sogar ohne Zinsen. Das Finanzgericht Düsseldorf (FG) hat nun entschieden, dass ersparte Zinsen für ein zinsloses Darlehen von Bekannten oder Familie, eine Schenkung darstellen– und versteuert werden müssen. 

Der Sachverhalt 

Vor dem FG geklagt hatte ein erwerbsloser Student. Er erhielt von einem Freund ein Darlehen in Höhe von 110.000 € – ohne Zinsvereinbarung, hinterlegte Sicherheit oder festgelegte Laufzeit. Es dauerte nicht lange, da forderte das Finanzamt (FA) seinen Teil: eine Schenkungssteuererklärung. Dem FA zufolge sei der Zinsvorteil, der dem Studenten durch das freundschaftliche Darlehen gegenüber einem Kredit bei der Bank zukommt, eine Schenkung, die versteuert werden müsse. Die Kalkulation des FA ist klar: Der Darlehensempfänger erspart sich ansonsten anfallende Zinsen, sein Freund kann mit dem verliehenen Geld keinen Zinsertrag erzielen, wird also entreichert. Eine freigebige Zuwendung, da der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird – das Prinzip der Schenkung.  

Die Schätzung des Finanzamtes 

Da am Kapitalmarkt die Zinsen schwanken und je nach Lebenslage unterschiedliche Zinsen auf Kredite vergeben werden, schätzte das Finanzamt den zu versteuernden Vorteil nach § 162 AO. Es richtete sich dabei nach den Maßgaben des Bewertungsgesetzes (BewG). Demzufolge sei gem. § 15 Abs. 1 BewG ein jährlicher Zinsvorteil von 5,5 % anzunehmen, den sich der Student ersparte. Neben den Zinsen musste aufgrund der unbestimmten Laufzeit des Darlehens auch die Laufzeit der Vorteilsnutzung geschätzt werden. Dabei richtete sich das FA nach dem in § 13 Abs. 2 Alt. 2 BewG festgelegten Wert, nach dem eine Leistung von unbestimmter Dauer mit dem 9,3fachen des Jahreswerts zu berechnen sei. Der Student hat der Schätzung des FA zufolge also von seinem Freund Zinsen in Höhe von 5,5% über eine Laufzeit von 9,3 Jahren hinweg geschenkt bekommen. Der steuerpflichtige Schenkungsanteil beläuft sich laut FA somit auf 56.265 € (110.000 € x 5,5% x 9,3), überschreitet also den Freibetrag von 20.000 €.  

Die Entscheidung des Finanzgerichts Düsseldorf  

Obwohl der klagende Student sich mit allerlei Argumenten gegen das Vorgehen des Finanzamtes gewehrt hat, weist das FG die Klage im Großen und Ganzen ab. Er konnte weder hinreichend belegen, dass er einen niedrigeren Zinssatz als 5,5% erzielt hätte, noch seien seine verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber der Zinshöhe begründet. Lediglich ein Fehler sei dem FA unterlaufen: Es hatte die Begrenzung des § 16 BewG nicht beachtet, wonach 5,5% des zugrunde gelegten Wirtschaftsgutes den Wert des Wirtschaftsgutes dividiert durch 18,6 nicht überschreiten darf. Im vorliegenden Falle machen 5,5% von 110.000€ = 6.050 € aus. Allerdings sind 110.000 € dividiert durch 18,6 niedrigere 5.914 €, was den der Schätzung zugrunde gelegten jährlichen Wert auf diesen Betrag beschränkt. Mithin beläuft sich der zu versteuernde Schenkungsanteil im zinslosen Darlehen auf 55.000€ (5.914 x 9,3).  

Konsequenzen für die Praxis  

Wer ein zinsloses Darlehen erhält, sollte immer den darin enthaltenen Anteil jährlich geschenkter Zinsen berechnen. Zur Sicherheit ist ein Wert von 5,5% p.a. anzunehmen. Hierbei ist § 16 BewG zu beachten. Bei einem zeitlich unbegrenzten Darlehen müssen die gesparten Zinsen dann über einen Zeitraum von 9,3 Jahren berechnet werden, sonst über den tatsächlich vereinbarten Zeitraum.  

Es ergibt sich bei geschätzten Zinsen i.H.v. 5,5% p.a. folgende Formel:  

Darlehenshöhe x 5,5 % = X 

Darlehenshöhe / 18,6 = Y 

Wenn X > Y, dann  

Y x Anzahl der Jahre der Darlehensnutzung (im Zweifel 9,3) = zu versteuernder Schenkungsanteil 

Wenn X<Y, dann  

Darlehenshöhe x 5,5% x Anzahl der Jahre der Darlehensnutzung (im Zweifel 9,3) = zu versteuernder Schenkungsanteil 

Wer bei dieser Rechnung über dem einschlägigen Freibetrag landet, sollte den Finanzämtern zuvorkommen und die Schenkung anzeigen und ggfs. eine Schenkungssteuererklärung abgeben. 

Um dabei die geschätzten 5,5% Zinsen zu umgehen, kann nach ernsthafter Recherche ein anderer Zinssatz zugrunde gelegt werden, der bei einem gewöhnlichen Kreditinstitut erzielt worden wäre. Dadurch kann im besten Falle die Schätzung durch das FA und eine erhöhte Steuerzahlung umgangen werden.  

Die Freibeträge richten sich nach der Beziehung zwischen Darlehensnehmer und Darlehensgeber.  

Steuerfrei sind folgende Schenkungen 

bis zu 500.000€ von einem Ehepartner beziehungsweise eingetragenen Lebenspartner 

bis zu 400.000€ von Eltern und Stiefeltern  

bis zu 200.000€ Euro von Großeltern 

bis zu 20.000€ von anderen Familienmitgliedern und Freunden 

 

Michael Olfen, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Straf- und Steuerrecht, ist Gründungspartner der Kanzlei Olfen Meinecke Völger Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB 

Lotta Ann Olfen ist studentische Hilfskraft der Kanzlei Olfen Meinecke Völger

 

Aktuelle Staatenaustauschliste für die automatische Übermittlung von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen  

Das BMF hat mit einem Schreiben vom 11. Februar 2022 vorläufig bekannt gegeben, mit welchen Ländern zum 30. September 2022 ein automatischer Austausch von Informationen über ausländische Finanzkonten in Steuersachen erfolgt. Die vollständige Liste können Sie unter diesem Link einsehen. 

Das Übermitteln von Finanzkonteninformationen erfolgt auf Grundlage des Finanzkonten-Informationsaustauschgesetzes (FKAustG). Demnach werden zwischen dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) und der dafür zuständigen ausländischen Behörde automatisch die fraglichen Daten ausgetauscht. Eine abschließende Liste aller Staaten, die sich am Datenaustausch beteiligen, wird das Bundesfinanzministerium bis Ende Juni 2022 bereitstellen.  

Wann können sich Steuerberaterinnen und Steuerberater anlässlich ihrer Berufsausübung strafbar machen? 

Die Abgrenzung zwischen straffreier Berufsausübung und strafrechtlich relevanter Beihilfe wird juristisch viel diskutiert. Ab wann soll ein eigentlich sozialadäquates Handeln der Strafbarkeit unterliegen? Wie schutzwürdig sind Berufsträger*innen, die Kenntnis von kriminellen Plänen ihrer Mandant*innen haben und diesen dennoch ihre beruflichen Leistungen zukommen lassen? 

Ein aktueller Beschluss des BGH (BGH Beschluss v. 17.6. 2021 – 1 StR 132/21) gibt Anlass, sich eingehend mit der Frage auseinanderzusetzen, ab wann sich Steuerberaterinnen und Steuerberater der Beihilfe zur Steuerhinterziehung gemäß § 27 Abs. 1 StGB, § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO strafbar machen.  

Die Meinungen in der Literatur hierzu sind vielfältig, sie reichen von subjektiven über objektive zu gemischt objektiv-subjektiven Kriterien.  

Die objektiven Maßstäbe orientieren sich überwiegend an der professionellen Adäquanz des Handelns und verlangen für eine Strafbarkeit zum Beispiel einen Verstoß gegen die Berufsordnung. Wenn ein solcher vorliegt oder das Handeln außerhalb des rechtlich gebilligten Risikos liegt, soll es eine strafbare Beihilfehandlung darstellen. Die Kritik an lediglich objektiven Kriterien ist klar: Was ist mit den Fällen, in denen eine beruflich neutrale Handlung eine Straftat fördert und der Handelnde davon weiß? Ein Beispiel hierfür ist der gewerbliche Verkauf von (Schuss-)Waffen: Wenn der Händler erkennt, dass der Erwerber damit eine Straftat begehen wird. Dies verstößt nicht gegen berufliche Vorschriften, wenn er dabei den gewöhnlichen Arbeitsablauf beibehält. Aber ist es noch ein rechtlich erlaubtes berufstypisches Risiko? Eine Frage, auf die es viele Antworten und Meinungen geben kann, die aber kein handliches Kriterium für die Grenzen der Strafbarkeit darstellt.  

Rein subjektive Maßstäbe orientieren sich an der inneren Haltung des Gehilfen gegenüber der Haupttat. Inwiefern wusste der Beihelfende davon und wollte er sie fördern? Wenn sie nur für möglich gehalten wird (dolus eventualis), soll demnach keine Strafbarkeit eintreten. 

Ein Ansatz, der sich nur schwer umsetzen lässt: Wenn allein die Gesinnung des Gehilfen für seine Strafbarkeit verantwortlich ist, so kann dieser sich jederzeit hinter seinem beruflichen Handeln verstecken und darauf bestehen, dass er lediglich seiner Pflicht nachgekommen sei und das Risiko der Haupttat nicht erkannt habe.  

 Aus diesem Grund scheint auch der Rechtsprechung eine gemischt subjektiv-objektive Abgrenzung vorzugswürdig.  

Der BGH hat diese innerhalb des Steuerstrafrechts das erste Mal in einem Urteil aus dem Jahr 2000 (BGH, Urteil v. 1.8.2000 – 5 StR 624/99 (LG Wuppertal)) vorgenommen. Darin bekräftigt der BGH, dass berufstypische Handlungen, auch professionell adäquate, nicht generell straflos sind. Vielmehr stellt er zur Bewertung der Strafbarkeit auf Grundsätze ab, die auf der subjektiven Tatseite liegen, aber durch objektive Kriterien unterstützt werden.   

Wenn ein Gehilfe weiß, dass das Handeln des Haupttäters ausschließlich auf eine strafbare Handlung abzielt, so verlässt sein Tatbeitrag die Straflosigkeit und ist keine rechtlich neutrale Berufsausübung mehr. Eine innere Haltung zu der Haupttat, ein Wollen, wird nicht verlangt, lediglich auf das Wissen des Gehilfen kommt es an. Kompliziert wird es, wenn keine klare Kenntnis über die Haupttat vorliegt. Wenn diese lediglich für möglich gehalten wird, dem Helfenden aber nicht als die wahrscheinlichste Handlungsalternative erscheint, soll eine Strafbarkeit ausscheiden. In diesem Fall hat der Schutz des Berufsalltags Vorrang gegenüber dem Risiko einer Straftat. Wenn der Gehilfe das Risiko aber erkannt hat und die strafbare Haupttat für sehr wahrscheinlich hält, wendet der BGH die Figur des angelegen sein lassens an. So ist dann eine Solidarisierung mit dem Täter anzunehmen und eine Strafbarkeit zu bejahen, wenn die Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters darstellt, der Gehilfe sich die Haupttat damit also angelegen sein lässt.  

Damit löst der BGH für sich das Dilemma, dass manche Straftaten (nur) unter Mithilfe von gewissen Berufsgruppen begangen werden können, Vertreter*innen dieser Berufsgruppen  aber nicht andauernd befürchten sollen, sich an einer strafbaren Handlung zu beteiligen.  

Das angelegen sein lassen eröffnet der Rechtsprechung einen Raum, um im Einzelfall auch bei fehlender sicherer Kenntnis des Gehilfen zu einer Strafbarkeit zu kommen und die Tatsache zu berücksichtigen, dass die Straftat ohne ihre Hilfe nicht hätte begangen werden können.  

Für Steuerberaterinnen und Steuerberater führt dies zu einer gewissen Sorgfaltspflicht.

Wenn es sehr wahrscheinlich erscheint, dass ein*e Mandant*in eine Steuerstraftat begehen will und dafür auch die Steuerberatung in Anspruch genommen werden soll, kann diese sich bei Tätigwerden der Beihilfe strafbar machen. Wenn also Tatsachen die Vermutung verhärten, dass Mandant*innen sich zur Vollendung einer strafbaren Handlung des Berufträgers bedienen, sollte ermittelt werden, wie hoch das Risiko erscheint. Wenn das Ziel der angefragten Dienstleistung höchstwahrscheinlich strafbar ist, so sollten Steuerberater*innen von ihr absehen. Wie stark die Vermutung ausgeprägt sein muss, damit die Grenze zur Strafbarkeit überschritten wird, ist nicht abschließend zu beantworten.   

Im oben erwähnten Beschluss des BGH verneinte dieser ein angelegen sein lassen auch nachdem die Steuerberatung aufgrund eines Verdachtes gegen einen Mandanten durchsucht wurde und der Steuerberater im vorgelegten Durchsuchungsbeschluss einsehen konnte, was seinem Mandanten vorgeworfen wurde. Das Landgericht sah hier das Risiko, dass auch die Steuerberatung in den Steuerbetrug eingebunden werden sollte, als so erkennbar hoch an, dass das weitere Tätigwerden für den Mandanten eine Beihilfe darstelle. Dies lehnte der BGH ab. Es sei nicht ausreichend belegt, dass der Steuerberater nach der Durchsuchung bösgläubig war, da weitere Hinweise, wie ein Führungswechsel innerhalb der Mandatsfirma, gegen ein Fortführen des Steuerbetrugs sprechen würden. Letztendlich lässt die Rechtsprechung hier aber einen Raum für Abwägungen im Einzelfall, der zu einer gewissen Rechtsunsicherheit führt. 

Praxishinweis: 

Steuerberater*innen sollten bei Verdacht gegen Mandant*innen immer eine Gesamtschau der verdachtserhärtenden Umstände vornehmen. Sobald Mandant*innen erkennbar tatgeneigt sind und dies als die wahrscheinlichste Möglichkeit zu bewerten ist, muss von der tatfördernden Handlung abgesehen werden.  

 

Michael Olfen, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Straf- und Steuerrecht, ist Gründungspartner der Kanzlei Olfen Meinecke Völger Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB 

Lotta Ann Olfen ist studentische Hilfskraft der Kanzlei Olfen Meinecke Völger

Die Herausgabe von personenbezogenen Daten an Staatsanwaltschaften, Polizei und Finanzbehörden durch Unternehmen im Wirtschafts- und Steuerstrafrecht   

Finanzminister Scholz kauft Steuerdaten aus Dubai – Ist die Selbstanzeige noch möglich?

Bundesfinanzminister kauft CD mit Steuerdaten aus Dubai Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat für etwa zwei Millionen Euro eine CD gekauft, auf welcher sich steuerlich relevante Daten aus dem Emirat Dubai befinden sollen. Das Emirat lockt deutsche Staatsbürger mit Steuervorteilen und bietet attraktive Konditionen für jeden der Wege sucht, Steuern zu sparen. Auf der angekauften CD sollen […]

Auswirkungen der Reform des Geldwäsche-Tatbestandes

Wir haben uns mit der Reform der Geldwäsche-Strafbarkeit auseinandergesetzt und geben eine Einschätzung zu den Regelungen aus anwaltlicher Sicht.

Indem Geldwäsche den Schnittpunkt von illegalen Erlösen aus Straftaten und dem legalen Finanzkreislauf darstellt, gefährdet sie die Finanzbranche, den europäischen Binnenmarkt und die innere Sicherheit der Bundesrepublik und der Europäischen Union.

Mit dem Ziel einer effektiveren Verfolgung und Ahndung von Geldwäsche hat der Bundestag im Februar 2021 die Reform des Geldwäsche-Tatbestandes beschlossen. Mit dem neuen Gesetz wird zum einen die EU-Richtlinie über die strafrechtliche Bekämpfung der Geldwäsche umgesetzt und zum anderen dem Reformwunsch auf Seiten nationaler Rechtsanwender nachgekommen.

Der nähere Blick auf einige der Neureglungen der Reform und auf die zu erwartenden Auswirkungen auf die Praxis lässt einen weiteren Anstieg des Bedarfs an Geldwäsche-Compliance und den abzugebenden Verdachtsmeldungen erwarten.

Was ist neu? Der „All-Crimes“ Ansatz

Zentral bei der Reform ist der Verzicht auf den selektiven Vortatenkatalog.

Bisher war die Verfolgung nach § 261 StGB nur unter der Voraussetzung möglich, dass zuvor eine Straftat begangen wurde, die in dem Vortatenkatalog normiert war. Umfasst waren davon unter anderem Raub, gewerbsmäßiger Handel mit Betäubungsmitteln, Hehlerei und Bestechung. Stammte das Geld aus einer Straftat, die nicht in dem Katalog genannt war, konnte nicht wegen Geldwäsche verfolgt werden.

Mit dem nun eingeführten „all-crimes“ Ansatz soll das Verschleiern von kriminellen Profiten künftig grundsätzlich strafbar sein – unabhängig davon, durch welche Straftat sie erworben wurden.

Durch Aufnahme sämtlicher Straftaten in den Kreis der Vortaten verspricht sich der Gesetzgeber eine Erleichterung der Beweisführung. Es reicht künftig, wenn nachgewiesen werden kann, dass das Tatobjekt aus einer Straftat stammt. Nachforschungen, ob es sich dabei um eine Tat aus dem Vortatenkatalog handelt, können nun unterbleiben.

Die Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft befürwortet die Tatbestandserweiterung, mit dem Argument, dass dem Einschleusen von illegal erwirtschaftetem Kapital in den legalen Wirtschaftskreislauf ein von der Vortat unabhängiges Verletzungspotential anhaftet, sodass die Art der illegalen Herkunft keine Rolle spielen kann. Die bisherige Einengung der Geldwäschestrafbarkeit ging an der Lebenswirklichkeit vorbei, betont die Gewerkschaft.

Die Ausweitung des Strafverteidigerprivilegs

Die Einführung des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB-E normiert das sog. Strafverteidigerprivileg und setzt die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts um. Danach führt die Honorarannahme, ohne sicheres Wissen, dass dieses aus einer Vortat stammt, in den Fällen des § 261 Abs. 1 Satz1 Nr. 3 und 4 StGB – E zu Straflosigkeit des Strafverteidigers.

Allerdings hätte die Reform auch genutzt werden können, um Rechtsanwälte einzubeziehen, die nicht als Strafverteidiger tätig sind. Es sind nämlich durchaus Fallkonstellationen vorstellbar, in denen ein zivilrechtliches Mandat in einem untrennbaren sachlichen Zusammenhang mit einem geldwäscherelevanten Sachverhalt steht. Für Rechtsanwälte, die in solchen Verfahren tätig sind, besteht faktisch das gleiche berufstypische Risiko, den Tatbestand der Geldwäsche zu erfüllen, wie für Strafverteidiger.

Die Privilegierung ausschließlich für Strafverteidiger erscheint daher nicht sachgerecht.

Wegfall der Regel zu ersparten Aufwendungen

Bisher regelte § 261 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 StGB, dass in Fällen der gewerbsmäßigen oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung nach § 370 AO, auch ersparte Aufwendungen als Tatobjekte angenommen werden.

Die Einbeziehung ersparter Aufwendungen im Kontext von Steuerdelikten hat sich bisher weder als sachgerecht noch als praktikabel erwiesen und wird daher künftig entfallen. Unrechtmäßig erlangte Steuererstattungen und -vergütungen sind bereits ohne die Klarstellung Tatobjekte der Geldwäsche. Ihre Nennung im bisherigen § 261 Absatz 1 Satz 3 StGB ist daher nur deklaratorisch und kann entfallen.

Die Qualifikation für Verpflichtete nach § 2 GwG

In § 261 Abs. 4 StGB – E wird eine Qualifikation geschaffen, die für Geldwäschestraftaten von Verpflichteten nach § 2 GwG eine verschärfte Strafandrohung – Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren – vorsieht. Dies soll jedoch nur dann gelten, wenn der Täter als in Ausübung seines Gewerbes oder Berufes handelt, der ihn zum Verpflichteten macht.

Der Qualifikation liegt der Gedanke zugrunde, dass der Täter, der zur Abwehr einer bestimmten Gefahr berufen ist und einen tatbestandlichen Erfolg aktiv herbeiführt, ein schwerwiegendes Unrecht begeht. Allerdings nimmt der Gesetzgeber den Verpflichteten nach § 2 GwG hier in besonderer Form in die Pflicht, um an der Verhinderung von Geldwäsche mitzuwirken. Grund dafür ist, dass der Verpflichtete, z.B. ein Treuhänder, Rechtsanwalt oder Wirtschaftsprüfer, aufgrund seiner Tätigkeit wirksam Geldwäsche verhindern kann und seine Dienstleistungen missbraucht zu werden drohen. Künftig wird er jedoch nicht nur mit der Mitwirkung an der Verhinderung von Geldwäsche belastet, sondern ihm wird bei Nichterfüllung durch Unterlassen eine verschärfte Strafe angedroht.  Eine solche Strafschärfung ist nicht verhältnismäßig.

Es wäre daher angemessen, die Qualifikation auf Fälle der aktiven Begehung von Geldwäschehandlungen zu beschränken.

 

Die selbstständige Einziehung

Wesentliche Verbesserungen bei der Bekämpfung der Geldwäsche lassen sich nur durch effektive Möglichkeiten zur Vermögensabschöpfung erreichen. Dem Wirtschaftskreislauf werden dadurch Tatobjekte und Taterträge der Geldwäsche konsequent entzogen und der Vortäter in wirtschaftlicher Hinsicht isoliert. Die inkriminierten Vermögenswerte werden damit verkehrsunfähig gemacht.

Auch der Gesetzgeber sah die Notwendigkeit dahingehend tätig zu werden und änderte § 76a Abs. 4 StGB, die selbstständige Einziehung.

Zum einen sollen künftig Nutzungen, die aus einem aus einer Straftat stammenden Vermögensgegenstand gezogen werden, nach der geänderten Norm eingezogen werden.  Das betrifft z.B. Mieterlöse aus einem Wohnhaus, welches mit „gewaschenen“ Erlösen aus Drogengeschäften erworben wurde.

Des Weiteren beschränkt der Gesetzgeber mit der Änderung des § 76a Abs. 4 S.3 Nr. 1 lit. f) StGB den Bereich der Geldwäscheverfahren, die dieser Form der Einziehung unterliegen, auf solche mit Verbrechen und gewerbs- oder bandenmäßig begangenen Straftaten. Damit nimmt der Gesetzgeber von einer umfassenden Abschöpfung von Vermögenswerten mit illegaler Herkunft Abstand. Andernfalls würde durch den Wegfall des Vortatenkatalogs über den Umweg des § 261 StGB jede Straftat unter den Katalog des § 76 Abs. 4 S.3 StGB fallen und diesen empfindlich aushöhlen. Der Bunde deutscher Kriminalbeamter kritisiert die Änderung jedoch mit dem Argument, dass fortan zahlreiche bedeutsame Vortaten aus dem Anwendungsbereich des § 76a Abs. 4 StGB herausfallen (z.B. Vergehen der Terrorismusfinanzierung gem. § 89c StGB, Unterstützung einer terroristischen Vereinigung gem. § 129a Abs. 5 StGB). Diese Taten werden im Regelfall weder gewerbsmäßig noch bandenmäßig begangen.

Vor diesem Hintergrund besteht für eine effektive Bekämpfung von Geldwäsche im Rahmen des § 76a a Abs. 4 StGB weiterer Handlungsbedarf auf Seiten des Gesetzgebers.

 

Die Beibehaltung der Leichtfertigkeitsstrafbarkeit

Neu ist die Leichtfertigkeitsstrafbarkeit nicht. Jedoch sah der ursprüngliche Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz eine Strafbarkeit wegen Geldwäsche bei leichter Unkenntnis der inkriminierten Herkunft nicht mehr vor. Der Wegfall sei notwendig, um eine nahezu uferlose Anwendungsbreite des Tatbestandes zu verhindern. Die Verfasser des Entwurfes argumentierten zudem damit, dass mit der Streichung des Vortatenkatalogs das Bedürfnis nach einer Beweiserleichterung weitgehend entfalle.

Letztendlich hält der Gesetzgeber doch weiterhin an der Strafbarkeit einer leichtfertigen Geldwäsche (§ 261 Abs. 6 StGB – E) fest.

Dafür spricht, dass die Leichtfertigkeitsstrafbarkeit gerade im Hinblick auf Fälle der organisierten Kriminalität sinnvoll erscheint, da die „Geldwäscher“ typischerweise von den Hintermännern über die Vortaten im Unklaren gelassen werden. Der Geldwäscher erklärt in einer potentiellen Einlassung dann, dass er keine Kenntnisse über die Herkunft der Vermögenswerte hatte und darauf vertraut hätte, dass sie rechtmäßig erworben wurden. Solche Einlassungen lassen sich nur schwer widerlegen.

Zwar entfallen die objektiven Beweisschwierigkeiten, dass es sich um eine geldwäschetaugliche Vortat handelt, zum Teil. Jedoch würden im Falle der Abschaffung der Leichtfertigkeitsstrafbarkeit neue Nachweisprobleme auf der subjektiven Tatseite, also dass der Geldwäscher bedingten Vorsatz bezüglich der Herkunft aus einer Straftat hat, folgen. Es käme zu erheblichen Strafbarkeitslücken.

Der Deutsche Richterbund betont, dass einer uferlosen Anwendungsbreite des § 261 StGB – E in geeigneten Fällen durch die Anwendung der §§ 153 f. StPO begegnet werden kann.

 

 Auswirkungen auf die Praxis

Der Gesetzgeber ist überzeugt, dass die Reform geeignet ist, Beweisschwierigkeiten zu beseitigen. Immerhin entfällt die Notwendigkeit des Nachweises, dass ein Vermögensvorteil aus dem selektiven Kreis bestimmter Vortaten stammt.

Ein Blick in unsere europäischen Nachbarländer zeigt da etwas anderes. Unter anderem in Frankreich, Norwegen, dem Vereinigten Königreich und den Niederlanden wird bereits dem „all-crimes“ Ansatz gefolgt. Dort konnte bislang nicht gezeigt werden, dass dies die Strafverfolgung erleichtert hätte.

In der Praxis ist nämlich die größte Herausforderung, das konkrete Tatgeschehen festzustellen. Das Gericht muss vom Vorliegen einer Vortat überzeugt sein, also zu seiner sicheren Überzeugung feststellen, dass der zu waschende Gegenstand Tatertrag, Tatprodukt oder ein an dessen Stelle getretener anderer Vermögensgegenstand ist. Erst in einem zweiten Schritt ist es dann von Bedeutung, ob es sich bei der Vortat um eine Straftat aus dem Katalog handelt. Zu der Frage, wie eng oder weit der Kreis der Vortaten gezogen ist, kommt es also nur nach einer sorgfältigen Sachverhaltsaufklärung mit dem Ergebnis, dass eine Vortat überhaupt vorliegt. Die erhoffte Beweiserleichterung ist grundsätzlich vorstellbar, wird aber erst im zweiten Schritt spürbar werden. Die eigentliche Sachverhaltsaufklärung bleibt nach wie vor die eigentliche Herausforderung für die Ermittler und das Gericht.

 

Insgesamt wird eine Strafbarkeit wegen Geldwäsche in Zukunft deutlich häufiger greifen als bisher. Der Deutsche Richterbund erwartet, dass die Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 261 StGB und die damit verbundene Ausweitung der Strafverfolgung im Bereich der Geldwäsche eine erheblich stärkere Belastung der Staatsanwaltschaften und Gerichte zur Folge hat. Ohne eine spürbare Verstärkung der personellen Ressourcen ist die materiell – rechtliche Strafbarkeitsausweitung des Gesetzes nicht zielführend.

 

Fazit

Ob mit der Neufassung des Geldwäschetatbestands die strafrechtliche Bekämpfung der Geldwäsche tatsächlich noch effektiver gestaltet werden konnte, wird sich wohl erst in den nächsten Jahren zeigen, wenn auf entsprechende Erfahrungswerte zurückgegriffen werden kann.

Letztendlich scheint es sich bei der Reform jedenfalls in Teilen auch symbolischen Akt zu handeln, mit dem der Gesetzgeber durch Erweiterungen des Strafbarkeit zeigen will,  dass er den Kampf gegen das organisierte Verbrechen aufnimmt. Die erhoffte flächendeckende Wirkung der Neuregelung ist ohne Aufstockung der Ressourcen allerdings sehr fraglich.

Die erhebliche Pflichtenerweiterungen der Vergangenheit etwa für Notare und Güterhändler, um nur zwei Gruppen von Verpflichteten zu nennen, hat auf der einen Seite den Bedarf an Geldwäsche-Compliance zur Risiko-Bewältigung schon stark erhöht. Dem steht eine regelmäßig als überlastet wahrgenommene FIU gegenüber, die bei der Bearbeitung der rekordverdächtig vermehrten Verdachtsmeldungen bereits jetzt schon kaum hinterherkommt. Für Unternehmer steigt daher durch die Reform das individuelle Risiko weiter, im regulären Geschäftsablauf mit Fragen des Geldwäscherechts konfrontiert zu werden.