Der Tatverdacht im Steuerstrafrecht

Die rechtliche Beurteilung des Tatverdachts im Steuerstrafrecht folgt den allgemeinen Grundsätzen der Strafprozessordnung (StPO), § 399 AO. Im Wesentlichen wird zwischen dem Anfangsverdacht, dem hinreichenden Tatverdacht und dem dringenden Tatverdacht unterschieden.

Der Anfangsverdacht liegt bereits vor, wenn ein Sachverhalt die Verletzung eines Strafgesetzes in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht für möglich erscheinen lässt (vgl. § 152 Abs. 2 StPO). Bei der Prüfung des Anfangsverdachts besteht ein gewisser Beurteilungsspielraum des Staatsanwalts bzw. der Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamtes. Der Anfangsverdacht muss sich auf konkrete Tatsachen stützen, die dafür sprechen, dass der zu untersuchende Lebenssachverhalt eine Straftat darstellen könnte. Für die Zulässigkeit einer regelmäßig in einem frühen Stadium der Ermittlungen in Betracht kommenden Durchsuchung genügt der über bloße Vermutungen hinausreichende, auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützte konkrete Verdacht, dass eine Straftat begangen worden ist und der Verdächtige als Täter oder Teilnehmer an dieser Tat in Betracht kommt (BGHBeschl. v. 15.12.2016 – StB 36/16). Stellt sich später heraus, dass der von der Durchsuchung Betroffene unschuldig war, können Entschädigungsansprüche gegen den Staat entstehen. 

Der hinreichende Tatverdacht (§ 170 Abs. 1 StPO) besteht, wenn nach vorläufiger Bewertung des sich aus dem gesamten Akteninhalt ergebenen Sachverhalts und der Beweisergebnisse eine Verurteilung des Beschuldigten wahrscheinlicher als ein Freispruch ist, mithin eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Verurteilung besteht (BGHSt 15, 155 [158]). Auch hier besteht ein gewisser Beurteilungspielraum der ermittelnden Behörde. Der hinreichende Tatverdacht ist der Verdachtsgrad, bei dessen Vorliegen die Staatsanwalt bzw. die Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamtes Anklage erheben kann, wenn nicht Strafbefehl unter den Voraussetzungen des § 407 StPO erlassen wird oder eine Einstellung nach den §§ 153, 153a StPO erfolgt. Der hinreichende Tatverdacht ist des Weiteren Voraussetzung der Zulassung einer Anklage und der Eröffnung des gerichtlichen Verfahrens (§ 203 StPO).

Der dringende Tatverdacht ist insbesondere Voraussetzung von strafprozessualen Maßnahmen wie der Untersuchungshaft. Ein dringender Tatverdacht liegt vor, wenn nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis eine große Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Beschuldigte als Täter oder Teilnehmer eine Straftat begangen hat, wobei ein strafbarer Versuch ausreichend ist (BVerfG NJW 1996, 1049). Teilweise wird des Weiteren verlangt, dass eine Verurteilung mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Für die Anordnung von Untersuchungshaft müssen selbst bei dringendem Tatverdacht Haftgründe bestehen wie Flucht, Fluchtgefahr oder  Verdunkelungsgefahr (§ 112 StPO).