Rasterfahndung im Finanzamt? Länderübergreifender Abruf und Verwendung von Daten gemäß § 88b AO

Durch das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vom 16.7.2016 ist zum 1.1.2017 auch die Vorschrift des § 88b AO in Kraft getreten. Sie kann erhebliche Folgen für zunehmend zentralisierte und digitalisierte Ermittlungen in Steuerstrafsachen haben – und ist möglicherweise verfassungswidrig.

Nach § 88b StPO dürfen für Zwecke eines Verwaltungsverfahrens in Steuersachen, eines Strafverfahrens wegen einer Steuerstraftat oder eines Bußgeldverfahrens wegen einer Steuerordnungswidrigkeit von Finanzbehörden gespeicherte Daten zum gegenseitigen Datenabruf bereitgestellt und dann von den zuständigen Finanzbehörden genutzt werden. Die Daten sollen zur Verhütung, Ermittlung oder Verfolgung von

  • länderübergreifenden Steuerverkürzungen
  • Steuerverkürzungen von internationaler Bedeutung oder
  • Steuerverkürzungen von erheblicher Bedeutung

untereinander abgerufen, sowie im Wege des automatisierten Datenabgleichs überprüft, verwendet und gespeichert werden dürfen. Es handelt sich also um sehr weitreichende und nicht klar umgrenzte Befugnisse. Insbesondere ist nicht absehbar, welche konkrete Verwendung der Daten erlaubt sein soll.

In der Literatur wird daher bereits die Verfassungswidrigkeit der Norm diskutiert, da es sich um einen sehr weit gefassten Tatbestand mit erheblichen Befugnissen bei vergleichsweise geringen Anforderungen handele (vgl. Beckmann, DStR 2017, 971). Es verberge sich hinter § 88b StPO die Befugnis, präventive, also anlasslose Rasterfahndungen durchzuführen – ein weiterer Schritt hin zum gläsernen Steuerbürger. Insbesondere liege der Norm des § 88b StPO ein verfassungsrechtlicher Zirkelschluss zugrunde, da die konkreten Anhaltspunkte, die verfassungsrechtlich zu entsprechenden Maßnahmen erst berechtigten, durch die Befugnis des § 88b StPO erst beschafft werden sollen (Beckmann, DstR 2017, 971, 975).